«Am Clubgeburtstag feiern wir uns selbst»
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«Am Clubgeburtstag feiern wir uns selbst»

Clubbing
Veröffentlicht am 04.12.2023
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Das Kapitel gibt es seit 12 Jahren – Hausfreund*innen legen im Club auf, lesen und performen. Die BKA fragte das Betreiber*innen-Trio, worauf es stolz ist – und wie eine gute Clubnacht für die drei aussieht.

Diego Dahinden, wolltest du schon immer Clubbetreiber*in sein, oder anders gefragt: Was war dein erster Berufswunsch?

Diego Dahinden: Natürlich wollt ich Polizist werden. Ne, Spass bei Seite. Astrophysiker war mein Traum. Bis ich dann gemerkt habe, dass man da eigentlich nur rechnet.

Und wie kams, dass du Clubbetreiber*in wurdest, Dino Dragic-Dubois?

Dino Dragic-Dubois: Mein erster Rave. Der kam spät, aber er veränderte mein Leben grundlegend. Ich wollte meine Erfahrung anderen möglich machen. Et voilà...

Hättet ihr vor 12 Jahren geglaubt, dass das Kapitel an der Bollwerkecke zur fixen Adresse im Berner Nachtleben wird?

Dino Dragic-Dubois: Als ich vor sieben Jahren im Kapitel begann, war für mich der Club bereits eine Institution im Berner Nachtleben. Dass wir in meinen Augen in den letzten zwei Jahren zu einem schweizweiten Namen wurden, macht mich glücklich und gibt mir Antrieb. 

Mahalia Aura Haberthür, was macht eine gute Club-Nacht aus?

Mahalia Aura Haberthür: Für mich als Betreiberin? Der Gesamt-Vibe. Das Booking, das sich im Club bewährt, die Musik, die berührt. Ein Team, das motiviert ist und Spass an der Nacht hat. Die DJ-Person, die «öpper vo üs» ist, die nahbar ist und auf derselben Wellenlänge. Eine Nacht ohne Zwischenfälle oder mit gut gelösten Vorfällen, eine Nacht mit einem Fyrabe, bei dem wir noch ein, zwei Stunden zusammensitzen und über die Schicht lachen und alles ausdiskutieren können.

Clubben heisst, eine gute Zeit zu haben und dem Alltag zu entfliehen. Was macht die*der Club-Betreiber*in selbst, um zu relaxen?

Dino Dragic-Dubois: Das will ich im nächsten Jahr rausfinden. Mental ­Health im Kultursektor ist ein grosses Thema und ein Skill, das viele leider nicht beherrschen. Ich  inklusive. Ich habe gerade im letzten Jahr sehr viele Burnouts mir lieber Menschen erlebt und gemerkt, dass ich selbst nicht davon gefeit bin. Entsprechend steht das auf der Liste für 2024.

Diego Dahinden, Ihr feiert kommendes Wochenende mit einem Line-Up an lokalen Künstler*innen. Viele davon sind zusammen mit dem Kapitel gross geworden. Ein Familienfest?

Diego Dahinden: Klar. Am Clubgeburtstag feiern wir uns selbst. Und mit «wir» sind alle gemeint. Unsere Mitarbeiter*innen, unsere Resident DJs, neue und langjährige Freund*innen des Hauses und natürlich unsere Crowd!

«Die Auswirkungen der Gesellschaft sind an wenigen Orten so spürbar wie im Clubkontext, gleichzeitig gibts neben Clubs nur wenige Orte, wo Utopie gelebt werden kann.»
— Diego Dahinden

Auf welche künstlerische Entdeckung seid ihr besonders stolz?

Dino Dragic-Dubois: Im klassischen DJ-Bereich ist die Frage schwierig pauschal zu beantworten. Jedoch spielte die Rapperin Nathalie Fröhlich früh in ihrer Karriere bei uns – für mich ganz klar eine der grössten Schweizer Künstler*innen zurzeit. 

Welchen Act hattet ihr noch nicht im Haus, von dem ihr träumt?

Mahalia Aura Haberthür: Lange Zeit waren für mich LSDXOXO, Casual Gabberz und das Kollektiv Burenhinder auf meiner eternal Wishlist. Die kamen ins Kapitel. Persönliche und publikums­taugliche Erfolge! Ich freue mich, wenn wir möglichst bald Happy New Tears aus Berlin und das Métaphore Collectif aus Marseille einladen können.

Das Club-Konzept ist breit: Auch Awareness gehört dazu. Wie kommt das an?

Mahalia Aura Haberthür: Awareness-Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Clubszene und wird noch zu wenig angegangen. Wir haben hier eine sichtbare Rolle eingenommen und wollen den achtsamen Umgang fördern. Dass in einem solchen Prozess Fragen und Unklarheiten auftauchen können, ist ganz okay: ­Fragen wollen wir beantworten können, das Team nimmt sich die Zeit für Diskussion. In aller Regel kommt das gut an.

Ist ein Club Vorreiter für gesellschaftlichen Wandel?

Dino Dragic-Dubois: Ein Club kann und sollte in meinen Augen den gesellschaftlichen Wandel mitgestalten. Die Auswirkungen der Gesellschaft sind an wenigen Orten so spürbar wie im Clubkontext, gleichzeitig gibts neben Clubs nur wenige Orte, wo Utopie gelebt werden kann.

Diego Dahinden, wie weit ist dein heutiger Beruf vom Kindheitsberufswunsch entfernt?

Dino Dragic-Dubois: Wohl meilenweit. Rechnen gehört zwar auch dazu. Aber da ist künstlerische Kuration, Personalführung oder einfacher Raumunterhalt. Das alles zusammen ist das Schöne daran. 

12 Years Kapitel

Das Kapitel feiert mit Gästen aus dem Ausland (Shlagga aus Marseille mit Bass Music, Post-Club und Trance, ­Violet aus Lissabon mit Techno, Breakbeats und Acid) und dem Rap der erwähnten Nathalie Froehlich (Do., 23.11., 24 Uhr). Dazu gibts auch lokalere Gratulant*innen. Clubliteratur bringen Saskia Winkelmann und Sarah Elena Müller in den ­Sosospace (Do., 23.11., 19.30 Uhr), Los Pashimas spielen Downtempo (Fr., 24.11., 24 Uhr) und samstags gibts wütend-lakonische ­Lyrics mit ENL oder elektronische Seelenmodulation mit Graue ­Kreide im Space Floor (Sa., 25.11., 24 Uhr).

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