Auf die Orgel gekommen
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Auf die Orgel gekommen

Musik Experimental
Veröffentlicht am 24.02.2024
Tabea Andres
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Die Brüder Simon und Tobias Lanz veröffentlichten vergangenen November ihr gemeinsames Debütalbum «Arches». Es versammelt Drone-Musik, gespielt mit selbst gebauten Instrumenten, inspiriert von der Pfeifenorgel. Aufgenommen haben die Lanz-Brüder das Album während einer Künstlerresidenz in der Prozess Kultur & Bar. Mit einem Konzert kehren sie jetzt in die Location zurück.

Es ist eine vierteilige Suite, die Simon und Tobias Lanz mit ihrem gemeinsamen Debüt «Arches» Ende November beim Luzerner Label Hallow Ground veröffentlicht haben. Da gibt es atmosphärische Drones, die selten lange auf der gleichen Tonhöhe verweilen und auch mal grotesk ausfaden, aber auch beinahe angenehm harmonische Passagen. Easy Listening ist also anders und trotzdem – oder gerade deshalb – entwickelt sich ein rauer, dichter Sog, dem man sich nicht entziehen mag. Mikrotonale Höhenflüge in der Tiefenfrequenz sozusagen, die zwischen Vertrautem und Befremdlichem schwanken. Was auch Sinn ergibt, denn alle Instrumente, die die Brüder für ihre Kompositionen verwendet haben, sind – im weitesten Sinne – der Pfeifenorgel nachempfunden. Und selbstgebaut.

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Simon und Tobias Lanz entlocken ihren selbstgebauten Instrumenten Töne, die oftmals nur noch entfernt an die Orgel erinnern. © Jeremie Luke

Wie kommt es zu einem solchen Album? Die beiden schlossen zeitgleich ihr Studium ab, der gelernte Grafiker Simon Lanz in «Objektdesign», sein Bruder Tobias in «Sound Arts». Ihr geteiltes Interesse für elektronische Musik und eine Vorliebe für das Genre Drone brachte sie dazu, eine gemeinsame Abschlussarbeit zu realisieren: «Ich hatte genug vom teilweise sehr formalen Produktdesign», erzählt Simon Lanz. Und Tobias wiederum hatte bereits sein Soloalbum ‹I I E E›» mit einer Pfeifenorgel aufgenommen. Obwohl er die Orgel experimentell spielte, sei sie halt trotzdem «limitiert». Über- oder unterblasen könne man, aber ihre Zwölftonskala begrenze sie. So kamen Simon und Tobias Lanz eine Idee: Wieso nicht selbst Instrumente bauen, die zwar von der Orgel inspiriert sind, deren musikalisches Korsett aber sprengen?

Tobias Lanz, der mit 17 Jahren begann, Sound zu machen – zuerst im Bereich des Hip-Hop und heute mit einer Bandbreite von Ambient bis hin zu experimenteller Clubmusik –, verantwortet zusammen mit Katja Mäder das Booking des ISC und ist unter dem Namen RTK hinter den Decks anzutreffen. Gemeinsam sind die beiden Lanz-Brüder Mitbegründer des Berner Kollektivs und Labels CRTTR und organisieren Releases, Events oder Radio-Sendungen.

Das Korsett der Pfeifen sprengen

Auf die «Orgel-Idee» folgte ein Pingpong, bei dem Tobias Lanz Klänge erforschte und seine musikalischen Anforderungen an seinen älteren Bruder weitergab, der wiederum orgelähnliche Windinstrumente zu entwerfen und bauen begann. Youtube-Videos, eine Bestellung von alten Zinnpfeifen auf Ricardo und vor allem viel Ausprobieren mündeten in der gemeinsamen interdisziplinären Abschlussarbeit «evolving dronescapes». Dabei präsentierten die Brüder eine Performance, die sie für und mit den selbstgebauten Instrumenten entwickelt hatten.

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Macht Sound seit er 17 Jahre alt ist: Tobias Lanz spielt ein selbstgebautes Blasinstrument. © Jeremie Luke

«Mir war es wichtig, auch die Zugänglichkeit der Pfeifenorgel zu thematisieren», so Tobias Lanz. Er setzte sich mit dem theoretischen und kompositorischen Aspekt auseinander, Simon befasste sich neben der Funktonalität mit der Ästhetik der Instrumente: «Auch ich wollte optisch weg vom Sakralen, merkte aber, dass die Instrumente auch in meinem Design schnell wieder etwas Rituelles bekamen».

Während eines «Artist in Residence»-Aufenthalts im Jahr 2022 folgte auf die Abschlussarbeit dann die Zusammenstellung und Aufnahme des Albums «Arches» in der Prozess Kultur & Bar. «Ein ziemlicher Stress eigentlich, wir haben alles aufgebaut, innert einer Woche mehrere Durchläufe gemacht und den besten Liveschnitt genommen», erinnert sich Tobias Lanz.

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Brüder, die auf der Bühne gemeinsam tüfteln: Tobias und Simon Lanz. © Jeremie Luke
«Im Progr traf dann die ‹Sound-Arts-Bubble› aufs Yoga-Mätteli.»
— Simon Lanz

Die ersten «Arches»-Auftritte konnten unterschiedlicher nicht sein. Bei Bee-flat im Progr wurde die Show als «Liegekonzert» angekündigt, woraufhin die «Sound-Arts-Bubble aufs Yoga-Mätteli traf», wie Simon Lanz es ausdrückt. «Als wir zum Schluss dann doch noch mit einer Gitarre einstimmten, gab es beinahe verärgerte Blicke. Ein paar Leute fühlten sich aus der Entspannung gerissen», lacht Simon Lanz.

Ans Konzert in der Zürcher Wasserkirche, das die Brüder im Rahmen der experimentellen «Moods»-Reihe gaben, kamen überwiegend Jazzfreudige.

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Hatte genug vom rein formalen Produktdesign und begann, Instrumente zu bauen: Simon Lanz. © Jeremie Luke

«Arches» lässt sich eben nur schwer kategorisieren. Und das soll auch so sein. Irgendwo zwischen Drone, Sacral Music, New Age, Spiritual Music und Deep Listening würden die Leute es zu verordnen versuchen, so die Brüder. Für sie scheint hingegen viel wichtiger, dass sie eine Nische gefunden haben, die sie weiter erforschen wollen. Ihre selbstgebauten Instrumente werden sie auch am Konzert in der Prozess Kultur & Bar dabeihaben. Ideal dürfte das sein, weil das ja auch der Raum ist, auf den diese ursprünglich akustisch ausgelegt sind.

Simon und Tobias Lanz, die sich anfangs noch genau an die «Arches»-Instrumentierung hielten, sehen das mittlerweile entspannt und haben das Set-up geöffnet. So spielen sie auch mal eine Gitarre oder eine Shrutibox. Ideen für die Zukunft haben die zwei viele. Da sei eine Supergroup mit Gitarren, Drum Machine oder Schlagzeug genauso denkbar wie während einer längeren Residency mit verschiedensten Künstler*innen zu kollaborieren. «In erster Line wollen wir weiterhin herausfinden, was uns Spass macht und wie man spannende Instrumente baut», fasst es Simon Lanz zusammen.

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Schön anzusehen: Die Sound-Performances von Tobias und Simon Lanz haben nicht nur akustisch, sondern auch visuell einiges zu bieten. © Jeremie Luke

// Prozess Kultur & Bar, Bern

Fr., 1.3., 20 Uhr

www.prozess.be

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