Bittermann gibt den Ton an Nº 6 – Das klingt nicht nach Musiklehrerin
Simon Bittermann hat ein Gehör für gute Noten. Der Journalist und Musikkritiker ist auch Musikalienhändler beim «Notenpunkt», wo er das Sortiment und den Einkauf verantwortet. Für die BKa hört er schon mal vor, welche Klassiker bald in Berns Konzertsälen ertönen. Zum Beispiel Nadia Boulanger, interpretiert vom Cellisten Maximilian Hornung.
Als Marco Odermatt zur Abwechslung mal nicht gewonnen hatte, meinte er, er sei halt wie ein Skilehrer gefahren. Schönes, allzu korrektes Fahren generiert eben einfach zu wenig Zug auf dem Ski. Und bei gewissen Interpretationen habe ich mir heimlich auch schon gedacht, das klinge jetzt nach Musiklehrer*in. Schönes, allzu korrektes Spiel geht eben nur schwerlich zu Herzen.
Aber, wohlgemerkt, nur heimlich gedacht! Denn eigentlich weiss ich ja, wie viele hervorragende Musiker*innen ihre Brötchen in erster Linie mit Unterrichten verdienen. Zudem zählt beim Musizieren die Lehrer*in-Schüler*in-Beziehung zum wichtigsten überhaupt. So ist es eben nicht verwunderlich, dass es auch unter den Pädagog*innen wahre Stars gibt. Wie zum Beispiel den grossartigen Violinisten und noch berühmteren Geigenlehrer Zakhar Bron, der an den Interlaken Classics auch dieses Jahr wieder einmal einen öffentlich zugänglichen Meisterkurs gibt. Falls Sie es sich einrichten können: Schauen Sie in einen der Kurse rein und erleben Sie mit, wie der Meister bei kleinen Details Verbesserungspotenzial wahrnimmt, wo andere bereits Vollendung wittern.
Aus dem umfangreichen Programm des Festivals ist mir aber auch noch ein Konzert ins Auge gestochen. Der Cellist Maximilian Hornung (der übrigens ebenfalls einen Meisterkurs leitet) präsentiert mit Hisako Kawamura am Klavier ein paar Trouvaillen der Musikliteratur. Neben Beethovens letzter Cellosonate stehen gleich drei Werke aus unserem westlichen Nachbarland auf dem Programm: die Violoncello-Fassung von César Francks monumentaler A-Dur Sonate, ein noch zu entdeckendes Stück des zeitgenössischen Komponisten Guillaume Connesson und, was mich besonders freut, die «Trois Pièces» von Nadia Boulanger.
Obwohl Nadia Boulanger 92 wurde, zählen die im Alter von etwa 27 Jahren geschriebenen Stücke zu ihren letzten Kompositionen. Denn nach dem frühen Tod ihrer jüngeren Schwester Lili, gemäss Nadia die talentiertere Komponistin, hörte sie auf, Musik zu schreiben. Sie verschrieb sich der Verbreitung des Werks ihrer Schwester und wurde nebenbei eine der bekanntesten Kompositionslehrer*innen des 20. Jahrhunderts. Dabei bildete sie keine Schule aus wie etwa Arnold Schönberg, sondern zählte so unterschiedliche Musikerpersönlichkeiten wie Aaron Copland, Quincy Jones oder Astor Piazzolla zu ihren Eleven. Letzteren ermutigte sie gar, sich doch lieber ganz dem Tango zu verschreiben, statt sich als Epigone im klassischen Fach zu verrennen. «Du Idiot! Merkst Du nicht, dass dies der echte Piazzolla ist, nicht jener andere? Du kannst die gesamte andere Musik fortschmeissen!» soll sie ihm an den Kopf geworfen haben, nachdem sie seine Tangos kennengelernt hatte. Hätte sie doch auch zu sich selbst so gesprochen und sich ermahnt, weiterzukomponieren. Denkt man zumindest, wenn man ihre «Trois Pièces» hört. Im zeittypischen Stil des Impressionismus geschrieben, entfalten sich die drei Teile dennoch auf ganz unterschiedliche Weise, von verträumt bis rhythmisch nervös. Kurze, kleine Preziosen, die so gar nicht nach Kompositionslehrer*in klingen.
// Diverse Orte um Interlaken. So., 30.3., bis Di., 22.4.
- Meisterkonzert Maximilian Hornung: Victoria-Jungfrau Grandhotel & Spa, Interlaken. So., 6.4., 18 Uhr
- Meisterkurs Zakhar Bron: Kunsthaus Interlaken. Mo., 31.3., bis Mo., 7.4.