Bittermann gibt den Ton an Nº3 – Beethoven, geballt
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Bittermann gibt den Ton an Nº3 – Beethoven, geballt

Klassik Musik
Veröffentlicht am 06.02.2025
Simon Bittermann
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Simon Bittermann hat ein Gehör für gute Noten. Der Journalist und Musikkritiker ist auch Musikalienhändler beim «Notenpunkt», wo er das Sortiment und den Einkauf verantwortet. Für die BKa hört er schon mal vor, welche Klassiker bald in Berns Konzertsälen ertönen. Zum Beispiel der ganze Beethoven.

Eigentlich mag ich solche Programme ja nicht. «Ich spiele jede Brahms-Sonate», oder «fünfzigstündiger Konzertmarathon mit allen Schubert-Liedern!». Das klingt heroisch, verdeckt aber bloss Einfallslosigkeit bei der Programmgestaltung. Interessanter ist es doch, unterschiedliche Komponisten, Stile oder gar Epochen in einer stimmigen Dramaturgie zusammenzufassen. Und falls sich diese Werke dann auch noch gegenseitig in ein neues Licht zu rücken vermögen, ist das Konzerterlebnis nicht mehr zu überbieten. Bei Jan Lisieckis Parforceritt durch alle fünf Beethoven-Klavierkonzerte mache ich jedoch eine Ausnahme.

Das liegt einerseits an Lisiecki selbst. Der knapp 30 Lenze zählende kanadisch-polnische Pianist löst ein, was viele Nachwuchsstars nur versprechen – er bringt mit seinem Spiel frischen Wind in den Klassikbetrieb. Eklatant ersichtlich etwa im Vergleich mit dem derzeit abgefeierten Víkingur Ólafsson. Wirken die Interpretationen des zehn Jahre älteren Isländers immer wie Hintergrundmusik, wie die Beschallung einer misslungenen Prüfungsmeditation angehender Möchtegern-Gurus, so lässt Liesiecki die Funken sprühen. Er verfügt nicht nur über ein gewaltiges Repertoire an pianistischen Ausdrucksmitteln, sondern setzt dieses eben auch durchdacht und, ein grosses Wort, werkdienlich ein. Das Ergebnis ist ein äusserst lebendiges Klangbild, farbig und doch stringent. Und ja, auch groovy.

Der knapp 30 Lenze zählende kanadisch-polnische Pianist löst ein, was viele Nachwuchsstars nur versprechen – Jan Lisiecki bringt mit seinem Spiel frischen Wind in den Klassikbetrieb.

Zum anderen muss ich zugeben, dass es durchaus ein ohren- und augenöffnendes Erlebnis sein könnte, sich sämtlichen Beethoven-Konzerten am Stück auszusetzen. Ein Solo-Konzert ist ja nicht bloss ein gutes oder schlechtes Stück Musik. Ein Solo-Konzert ist eine Plattform, auf der sich (in diesem Fall) Beethoven selbst einst als allumfassende Musikerpersönlichkeit inszenierte – als Komponist, Pianist und Dirigent. Letzteres, weil damals der Solist das Orchester vom Flügel aus leitete. Die quasi theatralische Gattung war das Medium der Selbstdarstellung eines Komponisten.

Wer in die fünf Konzerte am Stück eintaucht, kann also mitverfolgen, wie Beethoven zu unterschiedlichen Zeiten wahrgenommen werden wollte: Als würdiger Nachfolger Mozarts etwa in den ersten beiden Konzerten oder als dominante Führungspersönlichkeit im dritten. Und während er sich im vierten Konzert als Innovator präsentiert, der die Tür zum symphonischen Konzert des 19. Jahrhunderts aufstösst, steht das fünfte für Beethovens spätere Tragik. Die Verschlechterung des Gehörs erlaubte es ihm 1809 nicht mehr, als Solist aufzutreten. Er schrieb es daher für seinen Schüler, den Erzherzog Rudolf von Österreich, der es 1811 auch uraufführte. Das Konzert steht somit am Beginn von Beethovens Rückzug aus der Öffentlichkeit, der griesgrämigen Weltabgewandtheit – und damit auch der Legendenbildung. Anzuhören ist ihm diese epochemachende Stellung jedoch nicht. Sein heroischer Ton brachte ihm in Grossbritannien gar den etwas fragwürdigen Beinamen «Emperor» ein, quasi der Ritterschlag der gehobenen Unterhaltung.

// Casino Bern

Do., 13., und Fr., 14.2., 19.30 Uhr

www.buehnenbern.ch

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