Bittermann gibt den Ton an Nº8 – Besser als Bienen
Simon Bittermann hat ein Gehör für gute Noten. Der Journalist und Musikkritiker ist auch Musikalienhändler beim «Notenpunkt», wo er das Sortiment und den Einkauf verantwortet. Für die BKa hört er schon mal vor, welche Klassiker bald in Berns Konzertsälen ertönen. Zum Beispiel Geschichten aus dem Leben des Mozartologen Alfred Einstein – von Mozart umrahmt.
«Wenn die letzte Biene gestorben ist, hat die Menschheit nur noch für wenige Jahre genügend Honig…» oder wie genau ging das nochmals mit Albert Einstein und den Bienen? Ist ja eigentlich auch egal. Ich habe sowieso noch nie verstanden, weshalb der gerne mit herausgestreckter Zunge dargestellte Herr bei jeder Gelegenheit zitiert wird – quasi als Haus-Faktotum der Weltweisheit. Meines Wissens war Einstein Physiker, nicht Zoologe!
Und überhaupt: Als Musikfanatiker lasse ich mich lieber von seinem Beinahe-Namensvetter Alfred Einstein belehren. Der in etwa gleichaltrige Musikwissenschafter war mit dem weltberühmten Physiker befreundet, am Gymnasium sangen sie gar gemeinsam im Schulchor! Und ähnlich wie dieser legte Alfred eine Schrift vor, die für viele bis heute das beste Buch zum Thema ist: die 1945 in Englisch erschienene Monografie «Mozart». Nichts hat unser Mozart-Bild derart geprägt wie sein Buch. Ich kenne manche bekannte Musiker*innen und Komponist*innen, die sich ihrem grossen Vorläufer ausschliesslich über Alfred Einsteins Deutung genähert haben. Als ob die Forschung vor 80 Jahren stehengeblieben wäre.
Für die Musikwissenschafterin Cristina Urchueguía ist dies Grund genug, sich ihrerseits mit ihrem Vorgänger genauer auseinanderzusetzen. Zumal Einsteins Leben als jüdischer Forscher zur Zeit des Nationalsozialismus mindestens ebenso spannend zu erzählen ist wie das von Mozart. Ihre Forschungen präsentiert sie nun im Rahmen von drei Konzerten von Les Passions de l’Âme. Wer schon mal erlebt hat, wie lebendig Urchueguía selbst über die trockensten Dinge zu referieren weiss, der wird sich auf Alfred Einsteins Lebenskrimi diebisch freuen. Ich kann nur sagen: hingehen!

Da dies ein Konzerttipp ist, sollte ich jetzt wohl aber auch noch etwas über Musik schreiben. Und da an den drei Konzerten selbstverständlich nicht nur gesprochen wird, ist das auch kein Problem. Meret Lüthi, die künstlerische Leiterin von Les Passions de l’Âme, spielt nämlich gemeinsam mit Javier López Sanz und Alexandre Foster Mozarts Es-Dur Divertimento für Streichtrio KV 563. Ein bemerkenswertes Werk – und das war jetzt Understatement. Denn es gibt in der Musik gewisse Dinge, die nur Mozart so konnte: etwa, in den Opern das psychologische Geschehen hinter der eigentlichen Handlung offenlegen. Oder: die Unterhaltungsmusik, das Gefällige, mit der hohen Kunst vereinen.
Für letzteres steht KV 563. Ein Divertimento ist per definitionem ein leichtes, luftiges Stücklein. Mozart jedoch nahm die Gattung und verwandelte sie in etwas ganz Anderes, Neues. Er ergänzte die Leichtigkeit mit Tiefgang und schaffte und schuf so nichts weniger als die Quadratur des Kreises. Wie gewichtig das Stück dadurch geworden ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es nebenbei auch Mozarts längstes Kammermusikwerk ist. Eine, wie ich meine, sehr gute Wahl, um Alfred Einsteins Lebensgeschichte zu begleiten.
// Burgerbibliothek, Bern. Do., 1., und Fr., 2.5., 19.30 Uhr
Museum Altes Zeughaus, Solothurn. Sa., 3.5., 19 Uhr