BKa Nº1 – Im Bild: Tiziana De Silvestros «Gastfreundschaft»
Im ersten Moment erinnert mich das Farbenchaos an die Bopla-Geschirrsets der 1990er-Jahre. Das grell-pastelle Horror-Vacui-Design, ein Vorläufer der rezenteren Glitch-Ästhetik, passte zur kantigen Oberfläche schwarz lackierter Tische und milchiger Glasplatten. So sie nicht früher am häuslichen Dasein zerbrachen, machen sie bis heute einsam und vereinzelt die Geschirrregale von Brockenstuben schrill. Doch schweife ich ab. Was ich in einer Ecke der Galerie da Mihi sehe, ist ein Tisch, sechs Stühle, sechs Becher, sechs Teller: Noch sitzt hier niemand an diesem Gastmahl. Ein Reservationsschild befindet sich allerdings nicht auf diesem Tisch. Auch kein Hinweis, dass berühren verboten wäre. Also könnte ich es wagen, mich zu setzen und auf weitere Tischgenoss*innen zu hoffen. (Und auf Bedienung natürlich.) Es wäre allerdings traurig, alleine zu bleiben. Und wohl auch nicht im Sinne der Kunst: Die Installation, die mich zur Komplizin macht, die mich teilhaben lässt, sie wurde von der Künstlerin Tiziana De Silvestro im Rahmen der Gruppenausstellung «TaPaS» aufgebaut. Die Autor*innenschaft wird dabei ausgeweitet auf alle, die daran teilhaben und das Kunstwerk weitergestalten. Und tatsächlich ist es so, dass Tiziana De Silvestro in dieser Installation selbst weiterträgt und umgestaltet, was an einem anderen Ort und von einem anderen Künstler und vielen anderen Menschen initiiert wurde: Die bunten und motivreichen Muster auf Tisch, Stühlen und Geschirr stammen von Fotografien und Collagen. Sie halten Eindrücke und Momentaufnahmen der Robert-Walser-Sculpture von Thomas Hirschhorn fest. Einen Sommer lang stand die öffentliche Sculpture auf dem Bahnhofplatz Biel und wurde von ihren Besucher*innen belebt, bewohnt und bespielt – als Kunstwerk, das allen gehört. De Silvestro dokumentierte das Dasein der Skulptur und die Veränderungen und Erweiterungen täglich. Und nimmt mit ihrer Kunst den Künstler Thomas Hirschhorn beim Wort, der zu einer undefinierten und unlimitierten Autor*innenschaft ermutigt. Sie macht daraus eine Tischgemeinschaft. Was für eine einladende Form.