BKa Nº8 – Pergoletti zwischen Jenseits und prallem Leben
Die Theatermacherin Grazia Pergoletti prägt seit den 1990er-Jahren die Bühnen der Hauptstadt. Gemeinsam mit Meret Matter und Ruth Schwegler gründete sie den legendären Club 111 im Tojo Theater, später war sie Ensemble-Mitglied des Stadttheaters Bern. Im Schlachthaus brachte sie 2024 mit «Schwarzenbach – Le Dolce Vite» ihr Leben als Gastarbeiterkind auf die Bühne. Für die BKa hält sie Ausschau nach Theater, das sie selbst erleben will.
Es kommt äusserst selten vor, dass ich in einer Vorstellung sitze und denke: also das ist jetzt jenseits! Ich bin eine ziemlich dankbare Zuschauerin, irgendetwas Interessantes finde ich meistens im Dargebotenen. Das Diesseits verlassen tun dieser Tage Timmermahn und seine wilde Bande mit seinem Schwank «Jenseits» (Heitere Fahne, Wabern. Do., 1., Fr., 2., Sa., 3., Do., 8., Fr., 9., und Sa., 10.5., 20 Uhr sowie So., 4., und So., 11.5., 15 Uhr) . Ich bin mir sicher, dass sich darin viel Erfreuliches findet: wunderbare Spielende, die wahrhaft alles geben, eine Ausstattung wie im Himmel und Witz, bis es weh tut. Nicht zu vergessen Timmermahns groteske und ganz eigene Sprachgewalt; wenn Alfred Jarry einen Nachfolger hat, ist Timmermahn ein Anwärter auf diesen Posten!
%20Roman%20Brunner.jpg)
Nicht geradewegs ins Jenseits, aber doch immerhin bis nach Amerika verschlagen hat es den Maler und Abenteurer Frank Buchser aus Feldbrunnen. Ab 1866 reist er durch Nordamerika. Ausgestattet mit einem bundesrätlichen Empfehlungsschreiben, soll er die Möglichkeit eines militärischen Bündnisses mit Amerika ausloten. Buchser jedoch will die «edlen Wilden» finden und macht sich auf, mit den American Natives in Kontakt zu treten. «Frank Buchser in Amerika» beschäftigt sich mit dem unrühmlichen Beitrag der Schweiz zur Kolonialgeschichte (Stadttheater Solothurn. Do., 1., Fr., 2., Sa., 3., und Di., 6.5., 19.30 Uhr) . Regie führt Katharina Ramser, eine Bernerin, die bisher vor allem mit Inszenierungen an Theatern in Deutschland Furore gemacht hat. Unter anderem freue ich mich auf Fabian Müller als Uncle Sam und die Videos von Thomas Bernhard.

Auf dem Weg ins Jenseits werden wir Menschen erstmal Tag für Tag älter, eine Sache, die wir alle gemeinsam haben, immerhin. Aber wer wird für uns sorgen, wenn wir das nicht mehr selbst hinkriegen? In der Produktion «Caricias» der Compagnie Dalang & Co. wird laut, kritisch und mit Humor über Alter, Pflege und Liebe nachgedacht (Schlachthaus Theater, Bern. Fr., 2., und Sa., 3.5., 20 Uhr) . Nachdem die lebensgrosse Puppe Maria Gonzàles uns in einer vergangenen Produktion schon sehr erhellend über Sexarbeit und Migration aufgeklärt hat, bin ich gespannt, was sie uns dieses Mal zu berichten weiss. Und ob sie eine Antwort auf die Frage liefert, inwiefern auch Puppen altern. Assistiert wird sie dabei von der wunderbaren Frida León Beraud und der Pflegeexpertin Milena Petrovic, Regie führte Barbara Terpoorten.

Die Existenz mit Freud und Schmerz feiern wir wie jedes Jahr im Mai in vollen Zügen. Dann heisst es nämlich wieder Auawirleben und das Internationale Theater- und Performance-Festival lässt unsere beschauliche Stadt ein bisschen vibrieren (Mi., 7.5., bis So., 18.5.) . Titel wie die wachsende, performative Ausstellung «Hope & Ponies» (täglich, Festivalzentrum In Transformation und Foyer Dampfzentrale, Bern) , das Stück «Juice» (Tojo Theater in der Reitschule, Bern. Do., 8., und Fr., 9.5., 20 Uhr) oder «A spectacle of herself» (Dampfzentrale, Bern. Fr., 9., und Sa., 10.5., 18 Uhr) lassen hoffen. Wir freuen uns auf «Clubliteratur» mit Autorin Meral Kureyshi, Milena Patagônia, Yougo Girl und Xhenisa (In Transformation, Bern. Fr., 9.5., 21.30 Uhr) . Eine Aufforderung zur Samenspende gibt es auch. Also ab ins pralle Leben!
