Der Gymnasiast mit dem Sprengstoff
In seinem filmischen Essay «La scomparsa di Bruno Bréguet» zeichnet der Tessiner Regisseur Olmo Cerri die Geschichte eines Mannes nach, der sich in seiner Jugend dem bewaffneten palästinensischen Widerstand anschloss. Der Film reflektiert Gewalt als Mittel zum politischen Zweck. Zu sehen in der Cinématte.
Während seine Freunde gegen den Vietnamkrieg oder gegen den Bau neuer Atomkraftwerke demonstrierten, schloss sich ein Gymnasiast aus Minusio in den 1960er-Jahren der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) an. Noch nicht mal 20-jährig, wurde er in Haifa beim Versuch verhaftet, Sprengstoff nach Israel zu schmuggeln. Sein Name war Bruno Bréguet und um ihn dreht sich der neue Film des Tessiner Regisseurs Olmo Cerri.
Cerri richtet seine Kamera nicht zum ersten Mal auf vergessene und verdrängte Kapitel der Schweizer Geschichte. In seiner eindrücklichen Dokumentation «Non ho l'età» (2017) erzählte der Regisseur von Italiener*innen, die während den 1960er-Jahren in die Schweiz kamen und im Zuge der sogenannten «Schwarzenbach-Initiative», welche die Begrenzung der ausländischen Bevölkerung auf 10 Prozent zum Ziel hatte, mit Rassismus und Ausgrenzung konfrontiert wurden.
Sie wollten «la rivoluzione mondiale»
In «La scomparsa di Bruno Bréguet» lässt Cerri nun zahlreiche Tessiner Aktivist*innen der 60er- und 70er-Jahre zu Wort kommen und fächert damit ein breites Panorama jener Generation auf, für die «la rivoluzione mondiale» in der Luft lag. Er begleitete einstige Weggefährt*innen seines Protagonisten an Orte, die in Bréguets Leben von zentraler Bedeutung waren, und reist dafür quer durch Europa.

Nach sieben Jahren in einem israelischen Gefängnis wird Bréguet – nicht zuletzt durch einen Aufruf, der auch von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt unterzeichnet wurde, – freigelassen. Er schliesst sich der Terrorgruppe um Ilich Ramírez Sánchez, bekannt als «Carlos der Schakal», an und wird in den 80er-Jahren in Paris beim Versuch eines weiteren Sprengstoffattentats erneut verhaftet.
Nach diesem Gefängnisaufenthalt lebt Bréguet fortan im Tessin und in Griechenland. Irgendwann soll er die Seiten gewechselt haben, um der CIA mit Informationen zuzudienen.

Ein Thriller, made in Switzerland
Schon bis dahin liest sich die Geschichte wie ein Spionagethriller, den Cerri mittels Zeitdokumenten und Videoaufnahmen elektrisierend zu inszenieren versteht. Auch die pulsierende Filmmusik des Schweizer Komponisten und Sounddesigners Victor Hugo Fumagalli trägt das ihrige zur Spannung bei.
Doch die Geschichte hält noch mehr bereit: 1995 verschwindet Bréguet im griechischen Hafen Igoumenitsa unter mysteriösen Umständen von einer Fähre. Und wird nie mehr gesehen.

«La scomparsa di Bruno Breguet» ist ein kurzweiliger Dokumentarfilm, in dem der Regisseur Olmo Cerri einerseits einer schillernden Person auf die Spur kommt. Die essayistische Form lässt Cerri aber Raum für seine eigenen Reflexionen zur Legitimität, Wirksamkeit und Problematik des bewaffneten linken Widerstands. Das reicht bis zur Frage, welche Durchsetzungskraft in heutigen Formen des Aktivismus steckt. Der Film ist letztlich ein Versuch, Gewalt in ihren verschiedenen Erscheinungsformen zu benennen. So zeigt er die grausamen Zustände in palästinensischen Flüchtlingslagern im Beirut der 60er-Jahre, die bis heute existieren, genauso wie die Gewalt linker Militanz.
Wir verlosen 1x2 Tickets für die Vorstellung vom 29.6.: tickets@bka.ch