Drin im monströsen Verdauungsapparat
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Drin im monströsen Verdauungsapparat

Theater Performance
Veröffentlicht am 04.04.2025
Susanne Leuenberger
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Das Stadttheater Langenthal nimmt es mit dem Schlurz, einem allesverschlingenden Monster, auf. Die Bühne ist ein Riesengedärme, der Text zum Stück für Menschen ab 14 Jahren stammt von «Blutbuch»-Autor*in Kim de l’Horizon. Entkommen die Figuren dem Weltenfrass?

Was genau ist ein Schlurz? Klingt ein bisschen wie Furz oder Schnurz. Es ist weder noch. Schlurz ist ein riesiges Monster. Übersät mit Warzen und stinkenden Drüsen, hat es mehr als einen Kopf und viele Mäuler mit ganz viel Appetit auf alles. Auf Mamis, Papis, Trampolins, Schulwege, aber auch auf Autobahnen, die in die Sommerferien führen, auf Bäume und auf Meere. Und auch auf Buchstaben? Das wäre ungünstig (oder günstig, je nach Perspektive).

Denn die Weltverschlingung nimmt ihren Lauf aus einem Text, der aus der Feder einer Autor*innenfigur namens Kim de l’Horizon strömt.

Doch wenn es ein Text ist, der die Welt frisst, dann bleiben wenigstens doch am Ende die Worte? Und mit ihnen auch die Bühne, auf der sich der allesverdauende Text zum Stück entwickelt? 

Es bleibt zu hoffen.

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Wer schafft den Ausstieg? @ ZVG

Der letzte Stern gegessen 

Die Bühne, die ist ein riesiges Gedärm, darauf ein Laufsteg und eine goldene Leiter. Und drin in diesem monströsen Verdauungsapparat: Autor*in Kim, gespielt von Silke Geertz, der jugendliche Diego, der Neffe von Kim, mal gespielt von Diego Valsecchi, mal verkörpert von Christoph Rath. Und Newa Grawit gibt unter anderem einen Zentauren, ein Wesen halb Pferd, halb Mensch. Performerin Jojo Kunz vertont mit ihrem Kontrabass den brummenden und grollenden Schlurz-Magen.

Und irgendwann verschlingt das Monster Schauspieler Diego Valsecchi, bis nur noch seine Hände und die Füsse in Stöckelschuhen aus dem Gedärme hervorragen. Verkörpert er da Diego, den Jungen, oder ist er bereits selbst Monster? Wer spielt hier eigentlich wen? 

«Wenn man nicht gewinnt, ist man verloren» fällt als Satz, oder: «im echten Leben sind die Sterne nicht regelmässig.» Darum habe der Schlurz sie alle runtergeholt und den letzten gegessen. Und irgendwann verschlingt das Monster Schauspieler Diego Valsecchi, bis nur noch seine Hände und die Füsse in Stöckelschuhen aus dem Gedärme hervorragen. Verkörpert er da Diego, den Jungen, oder ist er bereits selbst Monster? Wer spielt hier eigentlich wen?

Jenseits des Gedärmes

Es ist ein lustvolles und oft auch sehr lustiges Spiel mit Identitäten, das hier zu sehen ist, die Schauspielenden nehmen verschiedene Gestalten an. So auch die eines kleinen Tintenfisches, einer polnischen Au-Pair oder einer Birke. Und sie alle kämpfen darum, über eine goldene Leiter dieser Welt, die die Kindheit und die Dinge, die schön sind, verschlingt, zu entkommen. Aber wohin? Denn was bleibt denn noch jenseits dieses Gedärmes? Welchen Ausgang hat Kim de l’Horizon hier vorausgeschrieben?

Der Text zum Stück, «Dann mach doch Limonade, Bitch», entstand mit dem «Dramenprozessor 2020/21», einem einjährigen Förderprogramm für szenisches Schreiben. Verfasst und entwickelt hat Kim de l’Horizon ihn noch vor dem gefeierten und preisgekrönten «Blutbuch», das bereits mehrfach dramatisiert wurde. Uraufgeführt wurde «Limonade, Bitch» drei Jahre nach der Entstehung im Schlachthaus Theater Bern. 

Das Ensemble rund um die Brüder Olivier Keller und Patric Bachmann inszeniert den frühen Text von de l’Horizon in eine Bühnenperformance.

In «Dann mach doch Limonade, Bitch» geht es um Identitäten, um die Transformationen, die mit dem Erwachsenwerden kämen – und um die Gefangenschaft in einem Leben, in dem Leistung, Erfolg und das Gesehenwerden zählten. «Der Monstermagen ist eigentlich eine Metapher für die Gesellschaft», meint Dramaturg Patric Bachmann. An einer Stelle im Stück heisst es denn auch: «Die Welt kann an ein Ende kommen, aber das System niemals». 

Doch wie und ob für die Figuren doch ein Ausstieg aus diesem monströsen System möglich ist, das spielt das Stück «Dann nimm doch Limonade, Bitch» durch.

// Stadttheater Langenthal

Di., 29.4., 20 Uhr

www.stadttheater-langenthal.ch

Artikel des/derselben Autor:in
Susanne Leuenberger
Susanne Leuenberger
Redaktionsleiterin

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