Ein Hotel öffnet wieder
Das Leben hat viele Zimmer: Léa Pools Parabel «Hôtel Silence» erzählt von der Begegnung eines Lebensmüden mit einer Kriegsversehrten. Ein leiser Film übers Weiterleben.
Jean verstummt mitten in der Chorprobe. Seine Frau hat ihn verlassen und mit ihr auch die Lust am Mitsingen. Mit wenig mehr als einer Bohrmaschine und einem Haken im Handgepäck lässt der Mittfünziger Kanada hinter sich, um seinem Leben in einem namenlosen, kriegsversehrten Land in Europa ein Ende zu setzen. Als einziger Gast quartiert er sich dort im Hôtel Silence ein. Das an ein gestrandetes Schiff erinnernde Grandhotel hat seine besten Tage hinter sich. Der Lift ist kaputt, das Wasser kommt nur noch braun aus der Leitung und der glamouröse Kinosaal liegt in Schutt und Asche. Ein stimmiger Ort zum Sterben. Doch Jeans handwerkliches Geschick kommt der jungen Mutter Ana, die mit Sohn Adam und ihrem Neffen Zoran das versehrte Hotel bewohnt und führt, gelegen. Und so räumen Ana und Jean bald nicht nur gemeinsam die Hotelzimmer auf, sondern kommen sich und den Narben, die beide in sich tragen, näher.
Léa Pools «Hôtel Silence» ist eine leise und langsame Parabel nach einem Roman der isländischen Schriftstellerin Auður Ava Ólafsdóttir. Die schweizerisch-kanadische Regisseurin schenkt den Räumen des Hotels und den Gesten und Gefühlen ihrer Darsteller*innen viel Vertrauen. Der Kanadier Sébastian Ricard und die Basler Schauspielerin Lorena Handschin wiederum lassen ihren Figuren Jean und Ana viel Zeit, um sich zu öffnen. Trauer, Begehren, Fürsorge und der Wunsch, weiterzuleben finden mehr und mehr Raum. Gegen Ende des Films ist auch der Kinosaal des Hotels wieder hergerichtet – und für Jean, Ana, Adam und Zoran geht das Leben weiter.
// Ab Do., 12.6., in den Kinos