Ein Leben zwischen Blöcken
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Ein Leben zwischen Blöcken

Film
Veröffentlicht am 16.12.2024
Susanne Leuenberger
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Der Westschweizer Dokumentarfilm «Geboren Svetlana Stalin» zeichnet die Odyssee der Tochter von Josef Stalin nach. Ihr Weg führte auch in die Schweiz. Ihrem Schicksal konnte sie weder im Osten noch im Westen entfliehen.

Swetlana Allilujewa verstarb 85-jährig in einem Sozialheim im amerikanischen Wisconsin, arm und einsam. Doch geboren wurde sie 1926 als Tochter von Josef Stalin – und war als «Prinzessin des Kreml» das berühmteste Mädchen der UdSSR. Glücklich machte sie das nicht. Als sie nur 6 Jahre alt war, nahm sich die Mutter das Leben. Fortan war sie auf der Suche nach einer Existenz, in der sie mehr als die Tochter eines Vaters sein könnte, dessen Politik und Verbrechen sie zu verabscheuen lernte.

Swetlana Stalin liebte und heiratete Männer, die ihr Vater ablehnte und verkehrte in intellektuellen Kreisen, die das Regime kritisierten. 1957 nahm sie den Namen der Mutter an, 1967 gelang ihr über Indien die Flucht in die USA. Ihre Kinder Josef und Katia liess sie für immer zurück.

Soviet leader Joseph Stalin (1878 - 1953, right) with his son, Vasily (1921 - 1962) and daughter Svetlana (1926 - 2011) at one of Stalin's dachas, former Soviet Union, June 1935. Both children are by Stalin's second wife, Nadezhda Alliluyeva. The photograph was taken by Stalin's head of personal security, Nikolai Vlasik (1896 - 1967). (Photo by Laski Diffusion/Getty Images)
Die Tochter Swetlana und ihr Vater: Er nannte sie seine Prinzessin. © First Hand Films

Der Westschweizer Dokfilmer Gabriel Tejedor zeichnet den Weg der Frau nach, deren Leben wie ein trauriges Märchen anmutet. Nur spielt die Handlung nicht in einer fernen Vergangenheit, sondern im Kalten Krieg.

Die Schweizer Berge beengten ihr Herz

«Geboren Svetlana Stalin» lässt Historiker*innen und Zeitzeug*innen aus Russland, den USA und der Schweiz zu Wort kommen. Animierte Illustrationen heben Wendepunkte ihres Lebens hervor. Dass die Porträtierte bis zum Ende wenig greifbar bleibt, liegt womöglich weniger am Film, sondern mehr daran, dass sie zeit ihres Lebens isoliert war, wie ein russischer Historiker irgendwann im Film feststellt.

Bildhaft dafür ihr Aufenthalt in der Schweiz: 1967 verbrachte Swetlana Allilujewa, auf Geheiss und unter Beobachtung der US-amerikanischen Sicherheitsbehörden, aber abgeschirmt von der neugierigen Weltöffentlichkeit, sechs Wochen im neutralen Land mitten in Europa.

Am Vorabend des gegenseitigen Atomsperrvertrags war sie eine Gefahr für das fragile Verhältnis der Mächte. Sie mochte den Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau nicht, schrieb sie selbst, «sie beengen mein Herz». Die Berge stehen wohl auch für ihr Leben ohne Freiheit. Ein Leben zwischen Blöcken.

// Cinematte, Bern

Sa., 21.12., 19 Uhr und So., 29.12., 16.30 Uhr

www.cinematte.ch

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Susanne Leuenberger
Susanne Leuenberger
Redaktionsleiterin

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