Ein Tarantino auf Berndeutsch
Da werden den Mackern die Hüte vom Kopf geschossen: Trampeltier of Love gastieren mit ihrem Programm «Jolanda Grunder rettet Jakob Bärtschi – E Gschicht us em Wilde Weschte» im Bären Buchsi. Es beruht auf dem gleichnamigen Hörspiel des Bandenmitglieds Matto Kämpf.
«Jolanda Grunder rettet Jakob Bärtschi – E Gschicht us em Wilde Weschte» beginnt mit dem Protagonisten Köbi, der auf einer Harasse steht. «Das wär ja no gange. We obe dranne nid das Seili wär ghanget», kommentiert Erzähler Matto Kämpf lakonisch. Und wie es kommt, dass ein Junge aus dem Berner Dorf Rüeggisberg nun in einer nordamerikanischen Wüste am Galgen hängt, das erfahren wir in rasanten Episoden.
Himmu über Rüeggisbärg
Das Hörspiel, das der Berner Autor letzten Sommer schrieb und das auch in der «SRF»-Audiothek abrufbar ist, erzählt von einer verarmten Familie, die kaum etwas auf dem Teller hat und sich deshalb gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach New York aufmacht: «Das Amerika isch aus lüchtende Stärn über Rüeggisbärg im Himmu ghanget.» Und natürlich zahlt die Familie für ihre Hoffnung auf ein besseres Leben einen Preis, denn die Überfahrt ist teuer und so verschuldet sie sich bei einem dubiosen Geschäftsmann. Nicht lange und in ihrem neuen Zuhause, einer kleinen Stadt in einer Wüste ausserhalb New Yorks, in der «ufder Strass, ir Beiz u sogar ir Chiuche» die Pistole gezückt wird, tritt ein Geldeintreiber auf den Plan.
Köbi kennt keine Gnade
Brutal tötet er Köbis Vater und vergewaltigt seine Mutter – und ab hier entwickelt sich Kämpfs Western zu einem Mundart-Tarantino, denn der Protagonist setzt sich nicht nur zur Wehr und erschiesst den Angreifer, er wird zum gnadenlosen Rächer, der auch mal sechs Personen in einer halben Stunde killt. Und wie das so geht mit den Outlaws, die im Wilden Westen durch die Gegend ballern, kommt ihm dabei irgendwann ein Sheriff in die Quere.
Wer Matto Kämpf kennt, weiss, dass sein Humor zuweilen so trocken ist, wie die Wüste in der Köbis Geschichte nun eigentlich vorbei sein könnte, weil er auf der anfangs erwähnten Harasse steht und ihm das Genick zu brechen droht. Doch mitnichten, sie geht jetzt erst richtig los: Jemand schiesst ihn nämlich vom Galgen. Und zwar Jolanda Grunder, seine Grundschullehrerin aus Rüeggisberg. Die findet: «dä muess nochli nachehocke, dä isch no z jung fürd Höu». Sie nimmt den Revolverhelden unter ihre Fittiche und will ihn zu einem besseren Menschen machen. Ob das klappt?
Katzenschiefe Töne am Lagerfeuer
Es ist wahrhaftig eine aufregende Story, die das «SRF» mit Rahel Hubacher als Jolanda, Gilles Marti als Köbi sowie weiteren Sprecher*innen und natürlich dem Autoren Kämpf als Erzähler umsetzte. Das Hörbuch lebt dabei von den Kompositionen des Musikers und Multiinstrumentalisten Simon Hari, vielen besser bekannt als King Pepe. Dieser sorgt mit Querflöte, Gesang, Trompete und Piano für einen reizend-schrägen Western-Soundtrack und wird dabei von Marc Unternährer und Benjamin Dodell unterstützt. Ersterer vertont mit seiner Shrutibox auch mal einen psychedelischen Kaktus und Dodell sorgt nicht zuletzt am Schlagzeug für Furore. Die drei Musiker sind gemeinsam mit Matto Kämpf seit zehn Jahren die Band Trampeltier of Love und in ihrem neuen Bühnenprogramm «Jolanda Grunder rettet Jakob Bärtschi – E Gschicht us em Wilde Weschte» singen sie als «böse Männer» auch mal sehnsuchtsvoll und katzenschief Barbra Streisands ikonisches «Memory» am Lagerfeuer.
«Ich fands gut für Trampeltier of Love mal einen längeren Text zu schreiben», meint Autor Kämpf, der auf der Bühne des Bären Buchsi – anders als in der Hörspielfassung – nicht nur die Rolle des Erzählers innehat, sondern gleich multiple Persönlichkeiten mimt. Der Vorläufer seines wilden Köbis, das sei «Billi, dr Bueb» gewesen, so Kämpf weiter. Der Protagonist aus dem gleichnamigen Theaterstück, dass er 2005 mit dem Schriftsteller und Regisseur Raphael Urweider verfasste. Billi hätten sie damals bei den aus dem Emmental ausgewanderten Wiedertäufern angesiedelt. «Wir brauchten einen Vorwand, damit im Wilden Westen alle Berndeutsch reden konnten», so Kämpf, der von sich sagt, nicht gerade der «krasseste» Western-Fan zu sein, aber Filme wie «Spiel mir das Lied vom Tod» durchaus zu mögen.
Aber der Wilde Westen, der gebe halt eine gute Kulisse für absurde Geschichten her. Und so sei auch nachvollziehbar, dass scheinbar mehr Menschen in Wild-West-Geschichten starben als im Wilden Westen selbst, erzählt Kämpf. Aber nicht nur der Wilde Westen, auch die Religiosität, die im Hörbuch etwa in Form eines frommen Sheriffs, der Köbi zwar hängen lassen – aber aus Angst vor der Hölle nicht selbst hängen kann – auftaucht, zieht sich durch die Texte des Autors.
Resolute Lehrerin als wahre Heldin
Mit Trampeltier of Love ist das etwa auf der Single «Go home Zwingli» (2016) zu hören, die den Katholizismus gründlich auf die Schippe nimmt. «Simon Hari und ich kommen beide aus dem religiös unterfütterten Berner Oberland und wir hören beide gerne Religions-Podcasts. Man kann schon sagen, dass die Religion uns immer wieder umtreibt», meint Kämpf. Und zu seiner «wahren» Hörspiel-Matadorin, der gealterten Lehrerin mit perfekter Waffenhandhabe, findet er: «Jolanda Grunder ist eine radikale Heldin, die auch gerne mal einem unflätigen Macker einen Hut vom Kopf schiesst. Ich mag sie sehr.»
Eine knappe Stunde dauert die «Western-Posse» im Bären Buchsi und nach einer Pause geben Trampeltier of Love noch ein «Chrüsimüsi» an grandiosen Songs aus dem Repertoire und der Improvisation zum Besten. Wer den heiteren Western-Abend verpasst, wird das vermutlich später bereuen.