Ein Traum auf zwei Rädern
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Ein Traum auf zwei Rädern

Film
Veröffentlicht am 25.09.2024
Denise Tuna
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Das Kino in der Reitschule zeigt das Drama «Das Mädchen Wadjda». Darin wünscht sich die junge Hauptfigur Wadjda entgegen den gesellschaftlichen Gepflogenheiten sehnlichst ein Fahrrad.

Gleich in der Anfangsszene taucht man unmittelbar in den lebhaften Schulalltag einer saudi-arabischen Mädchenklasse ein. Mit einer Nahaufnahme fällt der Blick zunächst auf die Fusspartie der Schülerinnen. Bald wird klar, dass sich hier eine Person dem gängigen Bild widersetzt: Während alle schwarze, schlichte Schuhe tragen, trägt Wadjda Converse-Turnschuhe mit knalligen, blauen Schnürsenkeln. Subtil, aber prägnant wird bereits hier in «Das Mädchen Wadjda» vermittelt, wie die elfjährige Protagonistin, gespielt von Waad Mohammed, an den Gepflogenheiten im islamisch-geprägten Land zerrt.

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Mit ihren Converse-Schuhen und blauen Schnürsenkeln fällt Wadjda auf. © Praesens Film

Das ersehnte Fahrrad

Ausserdem hat Wadjda einen grossen Traum: Sie möchte ein Fahrrad besitzen, und damit gegen ihren Nachbarsjungen Abdullah um die Wette fahren.

Täglich geht Wadjda an einem Spielzeugladen in der Hauptstadt Riad vorbei, wo ihr grünes Traumfahrrad steht. Es kostet 800 Saudi-Riyal. Doch am Geld scheitert ihr Wunsch nicht, Wadjda wächst in guten Verhältnissen auf – die Familie hat einen Fahrer und Wadjdas Vater spielt regelmässig an der Konsole. Das Fahrrad bleibt ihr verwehrt, weil es sich für Mädchen nicht gehört, in die Pedale zu treten.

«Du bist eben kein Junge», begründet Wadjdas Mutter ihren negativen Beschluss. Für Wadjda ist dies kein zufriedenstellendes Argument. Also versucht sie, ihr eigenes Geld zu verdienen – etwa, indem sie Musikkassetten verkauft. Der Schulleiterin ist das ein Dorn im Auge. Doch ihre Strenge, mit der sie Wadjda und ihren Schulkamerad*innen entgegnet, um gesellschaftliche Regeln zu lehren, entlarvt der Film als potenziell scheinheilig. Denn es kursieren Gerüchte: Für viele scheint offensichtlich, dass die Schulleiterin einen geheimen Liebhaber hat. Es sind Handlungsstränge wie diese, die den vorgespielten Verhaltenskodex untergraben und verdeutlichen, dass Schein und Sein oft auseinanderliegen. Und es ist die unschuldige Kindlichkeit von Wadjda, die zudem eine regimekritische Tendenz offenlegt.

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Wadja sehnt sich nach dem grünen Fahrrad. © Praesens Film

Erster in Saudi-Arabien gedrehte Spielfilm

«Das Mädchen Wadjda» aus dem Jahr 2012 gilt als erster Spielfilm, der komplett in Saudi-Arabien gedreht wurde. Regie und Drehbuch verantwortet Haifaa Al Mansour, die in einer kleinen Provinz nahe von Riad geboren und aufgewachsen ist. Als Frau durfte sie teilweise nur aus der Ferne Regieanweisungen an ihr männliches Team geben. Und zur Zeit der Erscheinung wurde der Film wegen des landesweiten Kinoverbots gar nicht erst gezeigt.

Dafür erlangte die Filmemacherin Al Mansour, die Englische Literatur in Kairo und Film in Sydney studierte, internationale Anerkennung für das Drama – «Das Mädchen Wadjda» lief unter anderem an den Filmfestspielen von Venedig. 2017, fünf Jahre nach Erscheinung, wurde das Kinoverbot in Saudi-Arabien aufgehoben, wo der Film schliesslich ebenso gefeiert wurde. Nun kommt der Film auf die kleine Leinwand in Bern: Im Rahmen der Kinderkino-Reihe ist er im Kino in der Reitschule zu sehen.

// Kino in der Reitschule, Bern

So., 6.10., 13.30 Uhr

www.kino.reitschule.ch/

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