Er vertonte auch mal seinen Tinnitus
Zum 100. Geburtstag von Arthur Furer lassen junge Ensembles und etablierte Musiker*innen das Werk des verstorbenen Berner Komponisten wieder aufleben. Zusammengestellt hat das Festival Furers Neffe, der Flötist und Dirigent Kaspar Zehnder. Er erinnert sich damit an den im Alter hörgeschwächten Onkel, der mit Humor und Gottesliebe weiterkomponierte.
«Dass sich eine junge Generation seiner Musik annimmt und sie wieder aufleben lässt, ist wohl das Beste, was ich für meinen Onkel machen kann. Dass man ihn nicht nur hört, sondern auch spielt.» Der Berner Komponist Arthur Furer wäre heuer 100 Jahre alt geworden. Sein Neffe Kaspar Zehnder kuratiert nun ein Festival, an dem unter anderem der Schweizer Jugendchor, Studierende der Hochschule der Künste Bern (HKB), der Kinderchor des Münsters und das junge Berner Nerida Quartett Furers Werke wiederaufführen.
Arthur Furer fühlte sich selbst keiner zeitgenössischen Schule verbunden. Herausfordernd und zugänglich zugleich sind viele seiner Stücke, die er teilweise extra für seinen musikalischen Unterricht am städtischen Lehrerseminar im Marzili schrieb, wo er jahrzehntelang tätig war.

Vom Musikfanatiker zum Mystiker
«Mein Onkel hat mich in der Musiktheorie erzogen», erinnert sich Zehnder. Furer spielte auf dem Flügel vor, was der damals jugendliche Neffe im Nebenzimmer nachsingen sollte. Auf einmal habe der Onkel insistiert, dass er falsch singe, obwohl dem gar nicht so gewesen sei. «In diesem Moment wurde uns klar, dass er am Gehör erkrankt war.»
Bis zu seinem Tod sollte ein Tinnitus Furer quälen. «Für ihn als Komponist und Musikliebhaber war das eine Katastrophe, ein Tod im Leben», sagt der Flötist und Dirigent Zehnder. In seinen letzten 20 Lebensjahren habe er sich grundlegend verändert. Der bislang strenge, teilweise unnahbare Musikfanatiker sei weicher geworden, wurde gar zum Mystiker und Gottessucher.
«Jammere-Futtere-Sech dry schicke»
Obwohl er kaum noch hören konnte und das Komponieren eigentlich aufgegeben hatte, schrieb er für Kasper Zehnders Solistendiplom an der Flöte 1992 das Stück «Ballada», einen spanischen Volkstanz. Zehn Jahre später komponierte er – ebenfalls auf das Drängen Zehnders hin – das Werk mit dem ursprünglichen Titel «Im Leben Sterben – im Sterben Leben».
Die drei Sätze «Jammere-Futtere-Sech dry schicke» gehen von der irritierenden Tonfolge aus, die der Tinnitus-geplagte Furer pausenlos im Ohr hatte. Darin enthalten ist der versöhnliche Choral des Berner Lyrikers Werner Paul Barfuss: «Wer den Tod nur fürchten kann / Der ist fürwahr ein armer Mann / Den nenn’ ich einen reichen Mann / Der im Tode leben kann». Diese «Monopartita» wird im Rahmen des Festivals von Studierenden der HKB aufgeführt.
Letzte Rose, viele Gottheiten
Sein allerletztes Werk, «Ich sah des Sommers letzte Rose stehn», entstanden 2013, im Todesjahr Furers, wird vom Schweizer Jugendchor uraufgeführt. Das Berner Kammerorchester (BKO), das Vokalensemble ardent sowie Tenorsolist Loic Félix folgen ihm durch seine «Vita perennis». Kammerorchester, Sopranistin Marysol Schalit, Mezzosopranistin und Altistin Stephanie Szanto, Bariton Wolfgang Resch und gemischter Chor interpretieren Furers ökumenisches Vermächtnis, sein «Lob der Gottheit». Dieses umfasst buddhistische, jüdische, christliche und islamische Gottesvorstellungen umfasst. Und am Ende erklingt Felix Mendelssohn Bartholdys «Lobgesang».