«Es ist oft ein Chaos. Aber ein schönes Chaos»
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«Es ist oft ein Chaos. Aber ein schönes Chaos»

Musik Pop/Rock
Veröffentlicht am 07.04.2024
Vittoria Burgunder
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Eine Neuerscheinung nach der anderen bei Hatepop: Das Musikkollektiv tritt im April im Dachstock auf. Live sind unterdessen auch Schlagzeug und Gitarre dabei. Die Abfuck-Attitüde ist immer noch hörbar, doch das Hatepop-Soundspektrum hat sich seit der Debütplatte deutlich erweitert. Dass sich das organisch so ergeben hat, erklären im Gespräch Hatepop-Mitglieder GAMMAIII und DASHCAM*DEVI.

Hatepop melden sich im April mit drei Konzerten in Zürich, St. Gallen und Bern. Und: Sie veröffentlichen momentan einen Song nach dem anderen. Allein dieses Jahr sind bereits acht Singles erschienen. Die Erklärung für den Veröffentlichungsdruck liefert GAMMAIII, seit einem Jahr als Schlagzeuger und Liveproducer bei Hatepop dabei, beim Kaffee im Sous le Pont: «Wir haben uns vorgenommen, nicht wie vergangenes Jahr Gigs mit noch unfertigen Stücken zu spielen. Deshalb muss jetzt alles da sein.» GAMMAIII arbeitet gerade noch am digitalen Bühnenbild für die Shows, an denen die Visuals auf sechs Fernsehern gleichzeitig laufen sollen.

Für jene, die Hatepop nicht kennen: Es handelt sich um keine Band im klassischen Sinne. Hatepop, die vergangenes Jahr am Gurtenfestival die Waldbühne bespielten, sind ein Kollektiv. Gegründet in Bern, kommen die Mitglieder ungefähr zur Hälfte auch aus anderen Regionen der Schweiz. Auch gehören längst nicht alle zur auf der Bühne sichtbaren Liveband. Einige arbeiten hinter den Kulissen, schiessen etwa die Fotos, verantworten das Management, fahren den Bus zum Konzertlokal. «Wir haben selbst den Überblick verloren, wer alles dabei ist», sagt Gründungsmitglied DASHCAM*DEVI und lacht.

«Hatepop ist unser Spielplatz»

Bei einem derart hierarchielosen Verbund kommen viele kreative Visionen zusammen. «Natürlich, das macht die Organisation von Konzerten nicht immer einfach. Es ist oft ein Chaos. Aber ein schönes Chaos», sagt DASHCAM*DEVI, zuständig für Rap, Gesang und Produktion.

Wer Musik produziert, entscheidet selbst, ob er*sie diese bei Hatepop veröffentlicht. «Hatepop ist unser Spielplatz, auf dem sich alle auf ihre Art austoben», heisst es einmal im Gespräch. Da prallen Stile aufeinander. Deshalb würde das Projekt auch gefühlt alle paar Monate ein Rebranding erleben.

Ein Crossover von so fast allem

Zu Beginn vor allem mit Mundart-Rap unterwegs, machten Hatepop 2021 mit ihrer Debütplatte «Young Fuckups» auf sich aufmerksam. Eine mehrheitlich düstere Platte, mit Dubstep-Beats, darüber verzerrter Rap über Einsamkeit, Alkoholexzess, Schmerz. Aggressiv und verletzlich zugleich klingt das. «Als wir diese Platte produzierten, ging es uns nicht gut. Das ist heute anders», sagt DASHCAM*DEVI.

Die Abfuck-Attitüde ist noch immer da, aber unterdessen wird der Hass auch mal nach aussen verteilt, die Texte sind weniger selbstbezogen. Gleichzeitig hat sich das Soundspektrum geweitet. «2big2fail», ein mitreissender Track mit wummernden Industrial-Basslines und Mundart-Rap, nimmt es mit der Welt auf, in der Banken gerettet werden, während Mieten unbezahlbar werden. «Catgirlcupid», Ende März erschienen, kontrastiert dies auf Englisch mit einem erfrischenden Mix aus gekünstelten Hyperpop-Elementen und Gitarrenriffs. «Fiebertroum» mischt dem noch einen Touch Emo hinzu und der Titel «Liferwage_final_final» erinnert mit Gitarrenbreaks, rastlosem Schlagzeug, Rap, elektronischer Musik und Screams an den Nu-Metal der 90er-Jahre.

«Wir würden ja radiotaugliche Musik machen, wenn wir nur wüssten wie.»
— DASHCAM*DEVI

Mit GAMMAIII als Schlagzeuger und der Gitarristin Luana haben Hatepop die Liebe zu rockigerem Sound entdeckt. «Momentan tendieren wir zu härterer Musik als auch schon», sagt GAMMAIII. Und DASHCAM*DEVI fügt an: «Wir würden ja radiotaugliche Musik machen, wenn wir nur wüssten wie.» Und: «Wir lieben Pop, sind aber auch sperrige Leute. Entsprechend ist es auch unsere Musik.»

An Konzerten merken Hatepop, dass sie nicht wirklich ein bestimmtes Publikum erreichen. Viele besuchen ihre Shows wegen des Mundart-Raps, andere würden Hyperpop priorisieren und dann seien da noch die Punk-Kids. Innerhalb des Hatepop-Kollektivs gehen die Meinungen auseinander, ob es sich auf eine bestimmte Musikrichtung spezialisieren sollte, um ein grösseres Publikum zu erreichen. Doch noch hat das nicht Priorität. Jetzt mal mit dem auftreten, was da ist. Wohin es dann geht, würde sich schon zeigen. «Nur nicht zurück.»

// Dachstock der Reitschule, Bern

Sa., 13.4., 21 Uhr

www.dachstock.ch

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Vittoria Burgunder
Vittoria Burgunder
Stellvertretende Redaktionsleiterin

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