Familienhandwerk: Musik
Motetten aus 180 Jahren Bach: Am Konzert «Familie Bach» singt sich das Collegium Vocale Bern in der Friedenskirche durch das Repertoire des berühmten Geschlechts. Chorleiter und Dirigent Michael Kreis überrascht mit einer untypischen instrumentalen Begleitung, sodass die Musik der Bachs wirkt, als hätten Johann Sebastian und Co. sie am Hof des Sonnenkönigs komponiert.
Man schrieb das Jahr 1604, als Johann Bach zur Welt kam. Ihm und seinem jüngeren Bruder Heinrich folgten über 80 musizierende Bachs, darunter nicht wenige Komponisten, die in die Musikgeschichte eingingen. Einer davon besonders: Johann Sebastian Bach. Der 1685 geborene Grossneffe Johanns und Heinrichs gilt als das grösste Genie in der Runde, mitunter weil er als Thomaskantor in Leipzig den wichtigsten Posten aller einnahm.
Den Posten weitgergeben
Wer sein Lieblingsbach ist, das könne Michael Kreis beim besten Willen nicht sagen: «Unmöglich!» Der Dirigent und Chorleiter des Collegium Vocale Bern hat das Programm «Familie Bach» zusammengestellt, das er mit dem 30-köpfigen Vokalensemble aufführt. Motetten aus 180 Jahren Familie Bach singen die Chormitglieder, «die, wie ich finde, interessantesten Stücke aus dem Repertoire des Musikerclans», sagt Kreis.
So wie früher handwerkliche Gewerbe an die nächste Generation übergeben wurden, so gaben die Bachväter ihre Musikerposten, etwa als Organisten, weiter an ihre Söhne. Und damit auch eine Berufung: «In der Werksammlung der Bachs, dem Altbachischen Archiv, finden sich unzählige Bijous, die über das Handwerk dieser Komponisten nur staunen lassen», so Kreis.
Instrumentales Experiment
Obwohl die Musikerdynastie bis ins 19. Jahrhundert weiterging, erklingen am Konzert mit Ausnahme von Carl Philipp Emmanuel Bach vor allem Stücke der Vorfahren von Johann Sebastian Bach. Dieser macht den Anfang und den Schluss des Konzerts, dazwischen werden die Werke seiner Verwandten gesungen. Somit liegt der Schwerpunkt deutlich im Barock, ab und zu aber weicht die Musik auch davon ab, wie Dirigent Kreis erklärt: «Bei Johann Ernst Bach und Carl Philipp Emmanuel Bach gelangen wir an Musik, die weder ganz dem Barock noch der Klassik zugeordnet werden kann. Da gibt es eher noch ein bisschen Sturm und Drang zu hören.» A-cappella-Vertonungen, doppelchörige, vier- und zehnstimmige Motetten singt das Collegium Vocale Bern am Konzert.

Für die instrumentale Begleitung sorgt schliesslich die international renommierte Oboenband La Petite Écurie. Das ist speziell: Statt auf die von den Bachs für damals typisch vorgesehene Begleitung durch Basso Continuo setzt Michael Kreis auf eine Formation, wie sie einst am Hof des Sonnenkönigs zu hören war: ein Instrumentarium aus Oboen, Bassfagott und Perkussion. «Diese Klänge sind leuchtend und kommen der menschlichen Stimme nahe», so Kreis. Die Bachs à la française sozusagen.
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