«Ich bin dafür, nicht zu bequem zu werden»
Mit der letzten Vorstellung der «Götterdämmerung» verabschiedet sich Nicholas Carter als Chefdirigent und Co-Direktor der Oper bei Bühnen Bern. Im Gespräch blickt er auf die letzten vier Jahre zurück.
Nicholas Carter, am 1. Juni treten Sie zum letzten Mal bei Bühnen Bern als Chefdirigent der Oper auf. Wie verabschieden Sie sich?
Nicholas Carter: Abgesehen von einem Umtrunk mit dem Orchester, Chor und Sänger*innen ist kein grosses Fest geplant. Es wird sicher ein spezieller Abend und hoffentlich liefern wir nochmals eine gute Vorstellung. Die «Götterdämmerung» ist ja irgendwie passend. Eine kleine Welt geht damit zu Ende. Aber wir machen kein grosses Spektakel daraus. Am nächsten Tag wird die Sonne wieder scheinen – und mit meiner Nachfolgerin Alevtina Ioffe ist das Haus ja in besten Händen.
Nach nur vier Jahren verlassen Sie das Haus. Sie werden ab der Saison 26/27 Generalmusikdirektor der Staatsoper und des Staatsorchesters Stuttgart. Ist Bern zu klein?
Es war kein Entscheid gegen Bern, letztendlich ist es einfach ein Karrieresprung. Als Chefdirigent*in wünscht man sich, an einem Haus zu arbeiten, aber gleichzeitig versucht man, in der Karriere weiterzukommen. Ich hatte während der letzten Jahre neben meiner Tätigkeit in Bern auch Gastdirigate im englischen Glyndebourne, in Wien oder an der Metropolitan Opera in New York. Als junger Dirigent träumt man davon, irgendwann an einem solchen Haus sein zu können. Stuttgart kam nun etwas früher als geplant. Aber das ist natürlich eine tolle Chance, auch die doppelte Rolle als Opern- und Orchesterleiter. Sicher hätte ich noch etwas bleiben können – aber ich bin prinzipiell dafür, nicht zu bequem zu werden. Man lernt mehr, wenn man früher den nächsten Schritt macht.

Ihre Zeit in Bern war vor allem geprägt von Wagners «Ring» – man konnte sogar lesen, dass die Aufführung Ihre Bedingung war, um überhaupt nach Bern zu kommen.
Das mit der Bedingung wurde teilweise übertrieben. Natürlich haben wir am Anfang über das Repertoire gesprochen. Wir dachten, okay, irgendwas in Richtung Strauss oder Wagner – warum nicht «Der Ring»? Das klingt immer so gross, aber das liegt auch an dem Mythos drumherum. Sicher ist es eine Herausforderung, aber «Aida» oder «Turandot» ist mindestens so aufwendig wie eine Wagner-Oper.
Warum also Wagner?
Ich finde das Werk einfach unfassbar spannend. Nicht nur ist die Musik faszinierend, es kommt auch thematisch alles zusammen: Liebe, Macht, Politik, die Entfaltung des Selbst, das Unbewusste. Ich sage immer: Wagner hat die Jung-Psychologie eigentlich vor C. G. Jung erfunden.
Auch die Opernhäuser in Basel und Zürich nahmen den «Ring»-Zyklus ins Programm. Ein Zufall?
Ich denke, ja. Es ist ja nicht so, dass man während der Planung in Zürich oder Basel anruft und fragt: Und, was macht ihr so? Dafür ist man viel zu sehr fokussiert auf die eigenen Pläne. In meinem persönlichen Fall war es ja auch nicht ganz abwegig, ich bin mit Wagner aus meiner Zeit an der Deutschen Oper bestens vertraut.
Gab es während Ihrer Zeit in Bern auch Dinge, die nicht nach Plan gelaufen sind?
Als ich 2021 angefangen habe, waren wir mitten in der Pandemie, das war nicht einfach. Zwischen den Musiker*innen standen Plexiglas-Wände, was klanglich alles andere als ideal ist. Grundsätzlich gilt: In einem Theater gibt es tagtäglich Dinge, die nicht perfekt laufen – etwas anderes zu glauben, wäre naiv. Es arbeiten viele leidenschaftliche, ehrgeizige Menschen miteinander, da gibt es gewisse Reibungen. Wir hatten manchmal intensive Gespräche, aber für eine fruchtbare künstlerische Auseinandersetzung braucht es das auch. Das ist in Bern gleich wie an jedem anderen ambitionierten Theater. Eine grosse Herausforderung der jüngsten Zeit waren die Kürzungen der finanziellen Mittel.
Sie zieht es nun zurück nach Deutschland. Was werden Sie an Bern vermissen?
Natürlich zuerst einmal dieses schöne Theater und die Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren zusammenarbeiten durfte. Ich hoffe, dass sich unsere Wege in Zukunft wieder kreuzen werden. Was ich auch vermissen werde, ist die Natur. Ich wohne mit meiner Familie in Muri. Wenn ich Zeit habe, gehe ich entlang der Aare in die Stadt, das ist ein herrlicher Spaziergang. Fehlen wird mir sicher auch die Freundlichkeit und Höflichkeit der Berner*innen, sie machen das Leben hier sehr angenehm.
// Stadttheater Bern
Dernière von Nicholas Carter. So., 1.6., 16 Uhr
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