«Ich sterbe gerne auf der Bühne, wenn ich diese Musik singen kann»
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«Ich sterbe gerne auf der Bühne, wenn ich diese Musik singen kann»

Bühne Oper Musik
Veröffentlicht am 21.03.2025
Lukas Nussbaumer
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Bühnen Bern bringt Wagners Ring mit der «Götterdämmerung» zum schicksalshaften Ende. Tenor James Kee singt den tragischen Helden Siegfried, der zum Spielball des machtgetriebenen Ringkampfs wird.

«Zu End’ ewiges Wissen. Der Welt melden Weise nichts mehr.» So singen die drei Nornen im Prolog zur «Götterdämmerung», nachdem ihr weissagendes Seil gerissen ist. Das Schicksal also ist verworren – und trotzdem, scheint es, kommt alles so, wie es kommen muss.

Siegfried, der zuvor Brünnhildes Liebe gewinnen konnte, wird von seiner Abenteuerlust zum Hof der Gibichungen am Rhein getrieben. Dort schmiedet Hagen einen fiesen Plan, denn er will den Ring, den Siegfried Brünnhilde als Liebespfand zurückgelassen hat, für sich. Durch einen magischen Trank verliert Siegfried seine Erinnerung an Brünnhilde – und wird so für Hagens List fügig. Es folgt ein grosses Intrigenspiel – ein insgesamt fünfstündiger, sich immer mehr zuspitzender Ringkampf, der mit viel Sterben und für die Götter mit dem Untergang im feuerumschlungenen Walhall endet. Ein gigantisches Drama zum Ende der Ring-Tetralogie, ein Manifest von Wagners Grössenwahn – für die vier Teile brauchte er über 26 Jahre.

Tenor James Kee übernimmt beim Finale bei Bühnen Bern den Part von Siegfried. Für ihn trübt die übergreifende Schwere und Dramatik des Stücks die Freude am Singen nicht, ganz im Gegenteil: «Ich liebe die Rolle», sagt er, «Siegfried hat in dieser Oper eine wunderbar naive Art – ein bisschen wie ein Labrador, der zwar erwachsen ist, aber den Welpenblick auf die Welt nicht verloren hat.»

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Er singt Siegfried, den naiven Helden: Tenor James Kee. © Mirco Dalchow
«Siegfried hat in dieser Oper eine wunderbar naive Art – ein bisschen wie ein Labrador, der zwar erwachsen ist, aber den Welpenblick auf die Welt nicht verloren hat.»
— Tenor James Kee

Von Washington zu Wagner

Kee wuchs in Washington, D.C. auf und studierte Gesang am Curtis Institute of Music in Philadelphia, bevor er mit 26 Jahren nach Deutschland übersiedelte, zuerst nach Berlin, danach ans Volkstheater Rostock. «Ich bin inzwischen Deutscher geworden», sagt Kee in akzentfreiem Deutsch. Um die grossen Hauptrollen singen zu können, schulte er nach zehn Jahren Bariton auf Tenor um. Wenig abwegig, hat sich Kee in den letzten Jahren auf das Repertoire der deutschen Oper spezialisiert. Seine Favoriten sind die beiden Richards, Wagner und Strauss. «Ich mag auch Verdi oder Puccini», sagt Kee, «aber das deutsche Repertoire ist nochmals ein Stück üppiger und voller.»

Ausserdem liessen sich gerade bei Wagner, der seine Libretti selbst schrieb und sehr nahe am Text komponierte, viele Aspekte finden, die heute noch wahr und wichtig seien – obwohl sich die Geschichte des Rings in einer archetypischen Fantasy-Welt abspiele. Im Zentrum stehe die Gier nach und die Auseinandersetzung mit Macht, ein immer aktuelles Thema, heute vielleicht mehr denn je.

In der «Götterdämmerung» bei Bühnen Bern, die, wie schon die ersten drei Teile von der polnischen Regisseurin Ewelina Marciniak inszeniert und vom Berner Symphonieorchester unter der Leitung von Nicholas Carter musikalisch getragen wird, gibt es für Kee und seinen Siegfried kein Happy End. Der tragische Held wird im 3. Akt von Hagen per Speer getötet. Es ist ein langsamer, elaborierter Tod, wie der Tenor sein eigenes Ableben auf der Bühne beschreibt: «Ich singe zuerst etwa 15 Minuten, dann werde ich getötet, und dann singe ich nochmals drei oder vier Minuten.» Das nehme er aber bereitwillig in Kauf, wie er mit einer ordentlichen Portion Sarkasmus meint: «Wenn ich diese Musik singen kann, sterbe ich gerne auf der Bühne!»

// Stadttheater, Bern

Premiere: So., 30.3., 16 Uhr

Vorstellungen bis 1.6.

www.buehnenbern.ch

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Lukas Nussbaumer

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