Im stillen Meer der Worte
Die Berner Autorin Meral Kureyshi hat mit ihrem neuen Roman «Im Meer waren wir nie» ein generationenübergreifendes Frauenepos geschaffen, das zugleich innehalten und schmunzeln lässt. Zu hören im Progr.
Im Fünfjahrestakt meldet sich die Berner Autorin Meral Kureyshi mit einem neuen Roman. Nach «Elefanten im Garten» (2015) und «Fünf Jahreszeiten» (2020) nun mit «Im Meer waren wir nie».
Der Roman ist ein vielschichtiges Epos. Im Zentrum stehen generationenübergreifende Beziehungen zwischen Frauen, die auf verschiedenen Ebenen spielen. Da ist die namenlose Ich-Erzählerin, die gemeinsam mit ihrer besten Freundin Sophie ihren Sohn Eric grosszieht. Und da ist die lebensmüde 94-jährige Lili, Sophies Grossmutter, die von der Ich-Erzählerin behutsam betreut wird. Es geht um Schwesternschaft – sei sie biologisch oder gewählt –, um Solidarität und um gegenseitige Fürsorge.
Kein Nebensatz zu viel
Die Beobachtungen im Roman fokussieren aufs Alltägliche. Doch bei Meral Kureyshi ist nie ein Wort zu viel, kein Nebensatz ausdruckslos. Es ist diese stilgebende Verknappung, die existenziell anmutet. Ein Beispiel: «Ich laufe so schnell wie möglich irgendwohin, um woanders anzukommen.» Dennoch fehlen auch Momente nicht, die mit einem zwinkernden Auge gelesen werden können. Vor allem die Gespräche mit Eric, dessen kindliche Neugier oft mit einer Prise Besserwisserei daherkommt, sorgen für Schmunzeln.
Wer mit den vorherigen Romanen vertraut ist, wird gelegentlich Wiederholungen erkennen. Es sind Sätze, die im Gedächtnis haften bleiben. Die Protagonistin scheint dieselbe zu sein. Ihre Worte können an Meral Kureyshis Schaffensort, im Progr, gehört werden.
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