Im Takt gegen Traumata
Das True Story Festival lädt 45 Reporter*innen aus 25 Ländern nach Bern ein – und mit ihnen einzigartige Reportagen aus der ganzen Welt. Im Rahmen des Festivals wird der True Story Award verliehen, der engagierten Journalismus auszeichnet. Einer der nominierten Beiträge stammt von der italienischen Journalistin Stefania D’Ignoti, die eine Reportage über geflüchtete Menschen aus Aleppo veröffentlicht hat. Im türkischen Gaziantep brachten diese mit elektronischer Musik das Nachtgeschehen in Schwung – bis das fatale Erdbeben die Stadt komplett erschütterte.
Ein paar Tage vor dem Erdbeben vom 6. Februar 2023 hätte Stefania D’Ignotis Reportage bei «Al Jazeera» veröffentlicht werden sollen. Sie hatte über Monate hinweg Kontakte geknüpft im lokalen Nachtleben in Gaziantep. Was sie schnell merkte: «Hier gibt es eine Geschichte zu erzählen.» Denn in der türkischen Grenzstadt haben Artists und Fans elektronischer Musik aus dem syrischen Aleppo, die vor dem Krieg fliehen mussten, einen Weg gefunden, ihre Traumata zu bewältigen. Das verschlafene Gaziantep wurde von der syrischen Underground-Szene belebt.
Sounds aus Aleppo
Eine Hochburg für elektronische Musik wurde beispielsweise der Room41, der von einem syrischen DJ gegründet wurde. Nicht nur Syrer*innen trafen sich im Club, auch Türk*innen fanden ihren Weg dorthin. Ein Stück Aleppo in das neue Zuhause zu bringen – eine willkommene Bewältigungsstrategie für das erfahrene Leid. Und so dröhnten Mischungen aus arabischem und syrischem Folk und elektronischer Musik aus den Boxen.
Bis das Erdbeben kam und Gaziantep zum Stillstand brachte. Stefania D'Ignoti, die den südostanatolischen Grenzort als ihr zweites Zuhause bezeichnet, erlebte es hautnah mit und wurde Zeugin der Katastrophe. Also schrieb sie weiter, darüber, wie die komplette Zerstörung und das erneut verlorene Zuhause die Kriegserlebnisse der Syrer*innen wieder an die Oberfläche brachte. Ein neues Trauma, das verarbeitet werden musste.
In ihrer Reportage «The Aleppo electronic artists using music to heal in Gaziantep» erzählt die Journalistin, wie die syrischen Kulturschaffenden trotz all dieser Herausforderungen entschlossen sind, an ihrer Musikszene als Form der Heilung und des Widerstands festzuhalten und sie wiederaufzubauen. So gelingt es ihnen, mit Aleppo verbunden zu bleiben – und im neuen Zuhause eine Lücke zu füllen.
Im Rahmen des vom «Reportagen»-Magazin organisierten True Story Festivals kommt D'Ignoti nun nach Bern. Mit ihrer Reportage ist sie für einen True Story Award nominiert. In der Reihe «Reporterinnen erzählen» ist sie im Gespräch mit Moderatorin Sarah Ibrahim, Journalistin bei «Swissinfo.ch», zu hören.
// Diverse Orte, Bern
Fr., 24.5., bis So., 26.5.
- «Raven gegen das Trauma»: Ono, das Kulturlokal, Bern. Sa., 25.5., 17 Uhr
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