Im Zentrum der Manipulation

Gezielte Wahlmanipulation bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen 2022, illegales Klonen fremder Profile anderer Plattformen, die bewusste Verbreitung von Fake News und Desinformation durch beauftragte Content-Agenturen sowie Schweigegeldzahlungen in Gerichtsverfahren. Alles mit einem Ziel: Mehr Klicks, mehr Views, mehr Reichweite. Die Anschuldigungen gegen die chinesische Social-Media-App Kwai sind schwerwiegend und brisant.

«Von Anfang an war klar, dass der Artikel so fundiert sein musste, dass Kwai die Verantwortung nicht von sich weisen konnte», sagt Pedro Pannunzio über die Entstehung seiner Reportage «Manipulation Center», die 2024 im Kulturmagazin «Piauí» erschien.

Also begann er akribisch zu recherchieren, nachdem ihm eine anonyme Quelle Dokumente zugespielt hatte. Er kontaktierte Beteiligte, um alle Insiderinformationen zu überprüfen und beweisen zu können. Er sprach mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeiter*innen von Kwai und deren Partnerfirmen, erhielt Screenshots, Memos und Gehaltsabrechnungen und bewarb sich selbst bei einer Content-Agentur, um das manipulative System von innen zu erleben. Zwei Monate lang arbeitete er 12 bis 14 Stunden am Tag. «Ich hatte grosse Angst während des gesamten Prozesses», gesteht der Journalist. Kein Wunder: Kwai ist nach TikTok immerhin das zweitgrösste Social-Media-Unternehmen in China und zählt über eine halbe Milliarde Nutzer*innen weltweit.

Pannunzios Arbeit hat Wirkung gezeigt. Aufgrund der Veröffentlichung seiner Reportage wurde in Brasilien ein umfassendes Verfahren gegen das Unternehmen eingeleitet.

Nun ist Pannunzio an der vierten Ausgabe des True Story Festival zu Gast. Mit seiner Reportage wurde er für den diesjährigen True Story Award nominiert. Er und 60 weitere Reporter*innen aus 30 Ländern erzählen am Festival, das vom «Reportagen»-Magazin organisiert wird, von ihren aufwändigen und mutigen Recherchen.