In der Nische den Nerv getroffen
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In der Nische den Nerv getroffen

Klassik
Veröffentlicht am 15.01.2024
Vittoria Burgunder
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Das Berner Komponist*innen-Kollektiv L’art pour L’Aar wird 20. Jean-Luc Darbellay hat das Kollektiv, das sich zeitgenössischer Klassik widmet, mitbegründet. Im Interview blickt er zurück und spricht darüber, wie es um die moderne Musik steht.

Jean-Luc Darbellay, Sie haben 2003 das Kollektiv «L’art pour L’Aar» mitgegründet. Mit der Absicht, dass es auch 20 Jahre später noch Konzerte mit zeitgenössischer Musik organisiert?

Jean-Luc Darbellay: Ja, eigentlich schon. Ursprünglich hatten wir zwar ein Festival angedacht. Aber eine Konzertreihe ergab dann doch mehr Sinn: Eine Person des Kollektivs trägt die Verantwortung für ein Konzert und kuratiert es. Die anderen helfen. Das macht die Sache bis heute entspannter! Was ich mir damals auch niemals erträumt hätte, ist, dass wir bis nach Japan eingeladen werden würden. Wir sind ganz schön rumgekommen. Ich denke, wir haben eben einen Nerv getroffen mit der zeitgenössischen Musik, die damals wenig Beachtung erhielt.

Wie steht es denn heute in der Bundesstadt um die zeitgenössische Musik?

Im Vergleich zu damals ist es besser. So etwas wie das Berner Ensemble Proton beispielsweise, das sich ja auf zeitgenössische Klassik spezialisiert hat, gab es vor 20 Jahren noch nicht. Mit ihnen haben wir auch bereits zusammengearbeitet oder Musik für sie komponiert. Auch sonst haben sich mittlerweile so einige Kammermusikensembles etabliert, die auch mal moderne Musik programmieren. Das ist erfreulich. Was es aber bis heute so nicht gibt, ist ein Komponist*innenkollektiv wie unseres, in dem alle einen Bezug zur gleichen Stadt haben. Etwas in dieser Art kenne ich nur mit der «Groupe des Six» aus Paris, die vor hundert Jahren gegründet wurde (lacht).

Wie reagiert ein Publikum auf ein Konzert von L’art pour l’Aar, wenn es so gar nicht bewandert ist in der modernen klassischen Musik? 

Für die Zuhörenden ist es beim ersten Mal schon eine Herausforderung. Sie ist eben nicht so eingängig, sondern reich an Dissonanzen und oft chromatisch. Wir wollen aber den Kontext erklären und diskutieren über die Werke jeweils nach der Aufführung. Wenn wir sie später ein zweites Mal interpretieren, dann ist das für viele im Publikum so, als würden sie es ganz neu erleben.

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Sie sind so etwas wie die Groupe de Six von Bern und machen zeitgenössische klassische Musik: Das Berner Komponist*innenkollektiv L'art pour l'Aar. ©ZVG

Am Jubiläumskonzert von L’art pour l’Aar werden Kompositionen vom Kollektiv aufgeführt. Neben Werken von Pierre-André Bovey, Hans Eugen Frischknecht, Ursula Gut und Markus Hofer interpretiert das Ensemble Orion Ihre «Nocturne». Die klingt aber gar nicht so unharmonisch. Eher sehr zahm und nostalgisch.

Ja, meine wird wohl die harmonischste Komposition des Abends sein. Ich wollte für das Jubiläum etwas von mir aufführen lassen, das auch ein breites Publikum anspricht. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

So lange wie möglich mit L’art pour l’Aar weitermachen zu können. Es ist einfach schön, in einem solch demokratischen und gleichberechtigten Kollektiv Musik vorstellen zu dürfen. Während sich andere Komponist*innen oft als Rivalen sehen, machen wir alles gemeinsam. Und natürlich wäre es schön, wenn wir unser Stammpublikum noch erweitern könnten.

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Vittoria Burgunder
Vittoria Burgunder
Stellvertretende Redaktionsleiterin

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