«Manchmal hudlet es mich heftig»
Ein Frühlingswochenende voller Richard Strauss: «Das Lied» lädt in der Villa Morillon drei Tage lang zu romantischer Schwelgerei. Mezzosopranistin Claude Eichenberger, die das Berner Rezitalformat gemeinsam mit dem Pianisten Alexander Ruef künstlerisch leitet, ist erklärte Romantikerin. Im Gespräch mit der BKa verrät sie, wonach Strauss, der heuer 160 Jahre alt würde, für sie duftet – und welche Kunsterlebnisse sie emotional durchlässig machen.
Claude Eichenberger, Sie und Alexander Ruef präsentieren zum 160. Geburtstag von Richard Strauss einen «Frühlingsliederstrauss». Nehmen wir Sie beim Wort: Welche Blumen gehören für Sie in ein «Richard-Strauss»-Bouquet, und wonach duftet Strauss für Sie?
Claude Eichenberger : Es gibt die ganz grossen, weltberühmten und sehr oft interpretierten Lied-Klassiker von Richard Strauss. Ich denke da an die «Hymnen» mit grosser emotionaler Geste wie «Allerseelen», «Die Nacht», «Zueignung», «Traum durch die Dämmerung» oder «Morgen». Davon kann ich eigentlich nicht genug bekommen. Das sind in diesem Frühlingsstrauss sicher die Rosen, vielleicht sogar alte, schöne Duftrosen. Aber Strauss hat so viel geschrieben und so vielfältig und auch so verspielt und leicht! Da gibt es diese kleinen Entdeckungen nebst den grossen, bekannten Liedern. «Für fünfzehn Pfennige», «Heimliche Aufforderung», «Nichts» oder «Muttertändelei» zum Beispiel. Solche Lieder wären vielleicht wie Levkojen, schön duftend und mit reizender Ausstrahlung. Das eher selten gespielte «Opus 15» für Mezzosopran könnte ich mir im Strauss als dunkle Ranunkeln vorstellen. Dennoch wollen wir den Strauss-Strauss nicht überladen. So haben die auftretenden Duos ihre Programme mit inhaltlich oder musikalisch passenden Kompositionen von Fauré, Brahms, Ravel, Debussy, Schubert, Clara und Robert Schumann oder Fanny Hensel. Ich denke, diese Lieder machen den Strauss komplett und reich.
Sie selber singen am Wochenende aber nicht. Ist das nicht schade?
Ich liebe Richard Strauss, sowohl seine Opern als auch seine Lieder und es hätte mich absolut gereizt, zu singen. Mit Alexander Ruef zusammen bilde ich aber seit 2022 die künstlerische Leitung von «Das Lied». Es ist daher überhaupt nicht unser Plan, uns ständig selber zu veranstalten. Vielmehr möchten wir anderen eine Bühne geben. Sicher werden auch Alexander und ich wieder zu hören sein, als Duo oder einzeln in Kombination mit anderen Künstler*innen. Ich finde jedoch, dass das wohldosiert geschehen sollte.
Meist stehen Sie auf grossen Opernbühnen, mögen aber auch den Auftritt an intimen Liederabenden. Ist das ein anderes Singen?
Ja, absolut! Noch stärker als in der Oper stehen bei der Lied-Interpretation die Gedichte, die Texte und das feine und klare Gestalten der Szenenminiaturen im Vordergrund. Das Interpretieren von Liedern ist eine hohe Kunst, in jedem Genre. Es ist eine sehr ursprüngliche und direkte Art von musikalischer Kommunikation. Ich singe dir ein Lied und du erfährst, wer ich bin. Das funktioniert in allen Kulturen, in allen Sprachen, eins zu eins im intimen Zimmer oder im Konzertsaal. Das fasziniert mich.
Sie setzen meist auf lokale Künstler*innen und Talente, die es zu entdecken gibt. Auf wen freuen Sie sich besonders?
Ich kann nicht sagen, auf welchen Abend ich mich am meisten freue! Aber ich bin absolut glücklich darüber, dass wir dem jugendlich sprudelnden Talent von Pianistin Fidelia Jiang und Bariton León Moser eine Plattform geben können. Oder dass wir den Berner Tenor-Shootingstar Remy Burnens zusammen mit der Freiburger Pianistin Clémence Hirt bei uns haben werden. Auch die seit Jahren hier lebende, international tätige Mezzosopranistin Valentina Stadler soll in Bern unbedingt gehört werden. Und dass wir mit Malin Hartelius eine hochkarätige Sopranistin bei uns haben, die eine sehr beeindruckende internationale Karriere verfolgt und als Dozentin für klassischen Gesang hier an der HKB die nächsten Generationen ausbildet, freut mich besonders.
Die Liederprogramme tragen Gänsehauttitel wie «L’Infini en nous», «Geheimes Sehnen» und «Durch die Nacht». Romantik pur. Sind Sie selber ein romantischer Mensch?
Oh ja! Romantik rührt mich im Innersten und macht mich emotional durchlässig. Lieder und auch Oper können mich so richtig erwischen und «es hudlet» mich manchmal heftig. Das passiert mir auch oft im Kino, beim Lesen von Büchern oder im Museum! Diese Erschütterungen sind für mich ein Segen, sie lassen mich die Essenz unseres Daseins fühlen. Und sie inspirieren mich für mein eigenes Singen und Darstellen.
«Das Lied» wird selber 40 Jahre alt, ist quasi dem Frühling entwachsen. Feiern Sie also den Sommer des Formats?
Das Lied wird es als musikalisch-poetische Ausdrucksform immer geben, es ist unsterblich. Und so denke ich, dass es noch eine lange Zeit Sommer sein wird für das Lied. Unsere Aufgabe sehe ich darin, das Kunstlied und die Liedkunst zu pflegen, ohne es an seiner Weiterentwicklung zu hindern. Deswegen veranstalten wir nebst klassischen Rezitalen auch das Format «Das Lied ist überall», wo sich Lieder-Duos verschiedener Genres begegnen. Dies geschieht diesen Juni in der Cinématte. Dort treffen Mezzosopranistin Sarah Widmer und Akkordeonistin Olivia Zaugg auf den Chansonnier Oli Kehrli und den Akkordeonisten Lukas Iselin. Ich freue mich schon jetzt auf den Abend und auf die Lied-liebenden Gäste.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde auf Wunsch von Claude Eichenberger schriftlich geführt.
//Villa Morillon, Bern. Fr., 15., bis So., 17.3.