Off the Record Nº13 – Katharina Altas
 Minuten Lesedauer

Off the Record Nº13 – Katharina Altas

Veröffentlicht am 02.07.2024
Katharina Altas
 Minuten Lesedauer

Katharina Altas ist Literaturagentin. Off-the-record macht sie das, was sie auch im Literaturbetrieb tut: Für die Kultur ein Wort einlegen und sie ermöglichen.

Kürzlich habe ich einem US-amerikanischen Verleger einige Fotos per E-Mail geschickt. «Wonderful. Thank you!» kam sofort zurück. Dass eine Nachricht um den halben Globus geht und wieder zurück, hätte in meiner Jugend nach Science-Fiction geklungen.

Doch was macht diese Schnelligkeit mit uns? «Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist mit einer Wucht und Geschwindigkeit über die Menschheit hereingebrochen wie keine andere Erfindung», schreibt die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse über die digitale Moderne. Sie war kürzlich zu Gast im Casino Bern. Ich hörte sie mir an und finde, dass sie die Malaise der Zeit erfasst.

Das Netz verbinde nicht nur die Menschen, sondern durchdringe unser ganzes Leben, sagt Menasse. Enorme Emotionen gingen um die Welt und pflügten Politik und Gesellschaft um. Zeit und Raum gestalteten sich in der digitalen Welt völlig anders. Diese «Niederlage der Langsamkeit», so Menasse, dieses Tempo untergrabe unsere gesellschaftlichen Systeme. Als Beispiel nennt sie die Langsamkeit demokratischer Gesetzgebungsverfahren. Gerade weil ihnen zeitliche Bremsen eingebaut seien, versachlichten sie emotionale Debatten.

Doch im digitalen Zeitalter ist Wut das bestimmende Gefühl. Auch, weil die digitale Kommunikation fast so affektiv wie das Sprechen ist. Hass, Überforderung, grassierender Irrationalismus beschreibe die aktuelle Weltformel der Massenkommunikation, so Menasse. Folglich würden sich Verschwörungserzählungen und politische Phänomene wie Brexit oder Tea-Party massiv ausbreiten: Destruktive Prozesse, die keiner moderiere.

Da sei kritisches Denken gefragt, so der Befund von Menasse, mit dem sie uns aus dem Casino entliess.

Was also tun? Ich finde, Schweden macht da etwas gut: Dort sollen Schulbücher wieder eingeführt werden, weil festgestellt wurde, dass die Geräte in der Schule beim Lernen nicht förderlich sind und die Konzentrationsfähigkeit und die Lesekompetenz schwächten. Das ist auch ein Weg: nicht zurück in die Zukunft, hie und da zurück in die analoge Welt. Oder das Buch von Eva Menasse lesen: «Alles und nichts sagen. Vom Zustand der Digitalmoderne», Kiepenheuer & Witsch (2024).

Artikel des/derselben Autor:in
Katharina Altas
Katharina Altas

BKa abonnieren

Dieser und unzählige weitere Artikel sind auch in gedruckter Form erhältlich. Die Berner Kulturagenda erscheint zweiwöchentlich und beleuchtet das Berner Kulturgeschehen.