Off the Record N°8: X Schneeberger
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Off the Record N°8: X Schneeberger

Veröffentlicht am 24.04.2024
X Schneeberger
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X Schneeberger zieht statt Pronomen X vor. X Schneeberger aka Noëme X ist Dragqueen und Aktivist*in, als Autor*in gewann Schneeberger den Schweizerischen Literaturpreis 2021 und 2020 das Weiterschreiben-Stipendium der Stadt Bern. Schneeberger co-kuratiert die Reihe «Clubliteratur» im Kapitel. Off-the-Record schreibt Schneeberger aus dem Berner Untergrund und jenseits der Geschlechter.

Liebes Bern

Stadt und Kanton, du bist so stolz auf deine Exporte – zum Beispiel Literaturpreiserfolge und Rap-Crews, Künstler*innen und Popstars, ach, bis zum Eurovision Song Contest, nicht zu fassen! Bei der letzten Pride auf dem Bundesplatz regnete es unentwegt, bis Nemo auf die Bühne trat, im selben Augenblick die Sonne durchbrach und ein strahlendes Spotlight auf ihn warf. Dräge im Räge, Nemo im Trockenen.

Dass es einige in trockene Tücher schaffen, hat mit vielen Faktoren zu tun. Auch mit der Möglichkeit zu unbezahlten Stunden des Übens und Probens, Pröbelns und Scheiterns. Und mit den Räumen und kleinen Bühnen, die diese Gelegenheiten meist nur mit viel Freiwilligenarbeit anbieten können.

«Bei der letzten Pride auf dem Bundesplatz regnete es unentwegt, bis Nemo auf die Bühne trat, im selben Augenblick die Sonne durchbrach und ein strahlendes Spotlight auf ihn warf. Dräge im Räge, Nemo im Trockenen.»
— X Schneeberger

Diese Erfahrung mache ich mit Literatur. Auch mit dem Schweizer Literaturinstitut und dem Studium der Contemporary Art Practices an der HKB wäre ich immer noch nirgends, wenn es die Freiräume, die Safe Spaces und die Clubs nicht gäbe. Es waren immer wieder autonome Häuser und kleine Kulturräume, die es mir ermöglichten, meine Texte vor Publikum zu bringen. Und diese Erfahrung ist eine wichtige Motivation zur Veranstaltungsreihe Clubliteratur im soso.space am Bollwerk, die niederschwellige und experimentelle Zugänge zu Literatur schafft. 

Wäre nun nicht eine Anerkennung der Leistungen dieser Räume – Hand in Hand mit dem Export-Stolz von Stadt und Kanton – möglich? Aber genau die tief budgetierten Kulturräume am Bermudadreieck kriegen in Krisenzeiten noch zusätzlich unbezahlte Sicherheitsaufgaben überantwortet. Seit meiner letzten Kolumne zum selben Thema hat sich die aufsuchende Sozialarbeit aus Sicherheitsgründen von der Schützenmatt verabschiedet. Ersatzlos – ich kanns nicht fassen.

Merci, Bern

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