BKa Nº10 – Pergoletti findet im Theater mehr als Deko-Ideen (aber auch)
Die Theatermacherin Grazia Pergoletti prägt seit den 1990er-Jahren die Bühnen der Hauptstadt. Gemeinsam mit Meret Matter und Ruth Schwegler gründete sie den legendären Club 111 im Tojo Theater, später war sie Ensemble-Mitglied des Stadttheaters Bern. Im Schlachthaus brachte sie 2024 mit «Schwarzenbach – Le Dolce Vite» ihr Leben als Gastarbeiterkind auf die Bühne. Für die BKa hält sie Ausschau nach Theater, das sie selbst erleben will.
Ich liebe es, dass wir im Theater dasitzen und anderen Menschen dabei zuschauen dürfen, wie sie Handlungen, Gefühle, Gedanken und Utopien für uns live erproben. Da alles nur gespielt wird, ist die vielleicht schlimmste Konsequenz, die auch das hässlichste Treiben auf der Bühne haben kann, dass sich die Zuschauenden langweilen. Ansonsten geht das Publikum aus einer Vorstellung raus mit einem neuen Gedanken oder mit dem guten Gefühl, besser und klüger zu sein, als die fürchterlichen Menschenexemplare, deren Unvermögen ihm soeben vor Augen geführt wurde. Oder die Leute verlassen das Theater wenigstens mit einer schönen Deko-Idee für ihre nächste Geburtstagsfete. Auch das ist nicht verkehrt. Oder sie sind gar schockverliebt in die Verletzlichkeit, den Mut und den Humor der Schauspielenden – so erging es mir regelmässig am diesjährigen auawirleben-Festival! Auf jeden Fall darf auf der Bühne probeweise durchaus ambivalent gefühlt, gedacht und gehandelt werden.
Wer möchten wir sein in unseren Träumen und was wären unsere Traumrollen? Um diese Fragen dreht sich die Produktion «Röllele Hot! Hot! Hot! » vom Theater Frei_Raum, die im Rahmen des diversen «Beweggrund»-Festivals zu sehen ist (Dampfzentrale, Bern. Do., 29.5., 19 Uhr) . Da die fantasiebegabte Renate Wünsch die Ausstattung gemacht hat, garantiere ich, dass das Publikum diese Vorstellung nicht nur philosophisch, sondern auch ästhetisch angeregt verlassen wird.
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Bei einem Gefühl wie Wut lohnt es sich womöglich ganz besonders, es erst einmal probeweise oder gar spielerisch zu bedienen. Die Performerin Clea Eden lädt mit viel Humor und einer ordentlichen Portion Wut in ihrem Stück «Fury Room» zum Abriss ein (Heitere Fahne, Wabern. Fr., 6.6., 20 Uhr) . Unter anderem stellt sie die Frage, ob es vielleicht die Scham vor dem wütenden Monster in uns ist, die uns zu zahmen, politisch entmachteten Wesen macht? Das Stück wurde mit dem Premio Preis ausgezeichnet und war auf der Shortlist der Schweizer Theatertage 2025.

Ein Händchen für ambivalente Figuren hatte der Schriftsteller Friedrich Glauser, der Brüchigkeit in seinem Leben auch selbst aufs Schwerste durchlitt. Seinem «Wachtmeister Studer» nimmt sich nun ein vielversprechendes Ensemble von Bühnen Bern an (Villa Morillon, Bern. Fr., 6.6., 20.30 Uhr [ausverkauft]. Weitere Vorstellungen bis 31.12.) . Unerschrocken ermittelt wird Open Air in und um die Villa Morillon, danach geht die Produktion mit dem Schauspielmobil auf Tournee durch Gerichtssäle, Schulaulas, Hotels und Gemeindesäle.

Was bleibt, wenn vieles verloren geht? Dem Verlust von Kindheit, Sicherheit und ersten Freundschaften und wie daraus neue Perspektiven entstehen, dem widmet sich die Compagnie hy:phen in ihrer Produktion «things I lost» (Tojo Theater Reitschule, Bern. Mi., 11.6., 20.30 Uhr. Vorstellungen bis Sa., 14.6.) . Unter anderem für Konzept und Choreografie zeichnet der Performer Pablo Conca verantwortlich, der schon als Jugendlicher im Weihnachtsmärchen von Meret Matter im Stadttheater geglänzt hat und auch mit einer Soloperformance aufgefallen ist, die sich intensiv mit ambivalenten Gefühlen auseinandersetzte.
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