Plötzlich ist da nur noch Geröll
Von Domodossola hinauf auf den Weissmies-Gipfel: Der Berner Klangkünstler und Perkussionist Julian Sartorius macht die Strecke aus unzähligen Höhenmetern, Stein und Eis erfahrbar durch Klang. Im Rahmen des Gaswerkareal-Fests nimmt er in der Dampfzentrale mit auf die Reise, die er auf den «Hidden Tracks» konservierte.
Erst hört man noch Stimmen, Hundegebell, Kirchenglocken und Motorengeräusche im Hintergrund der perkussiven Sounds. Diese klingen mal blechern, mal hölzern und voll, mal rieselnd. Mit jedem Abschnitt von 500 Höhenmetern, die Julian Sartorius von Domodossola, 272 Meter über Meer, hinaufsteigt in Richtung Weissmies, 4017 Meter über Meer, verändert sich der Klang merklich.
Eiszapfenxylofon
Auf seinem neuen Album «Hidden Tracks: Domodossola – Weissmies» nimmt der Perkussionist Julian Sartorius mit auf eine Klangreise. Mit einem Stereomikrofon, einer GoPro-Kamera und zwei Drumsticks ausgerüstet, machte der Berner diese fünftägige Wanderung im Jahr 2021. Von Wald zu Wiese zu Stein zu Eis: Die Klangwelt verändert sich genauso sehr wie das Visuelle. Das Vogelgezwitscher weicht dem Rattern eines Helikopters, der Wind bläst immer stärker, ein Felssturz geht ab.
Der Beat klingt kaum mehr satt, sondern kühl und trocken, sobald Sartorius nur noch Steine zur Verfügung stehen. «Die klangliche Vielfalt von Steinen hat mich dennoch überrascht: Kleine Steine klingen und vibrieren anders als grössere Brocken. Es war, als würde ich einen mikroskopischen Blick auf dieses Material werfen», so der Klangkünstler. Ein blecherner Wegweiser wird in der kargen Steinlandschaft zur Kirchenglocke, Eiszapfen zum Xylofon.

Ein Zeitdokument?
In den 1960er-Jahren wurde der Weissmies mit 4023 Metern gemessen, heute verweist die Plakette beim Gipfel auf 4017 Meter. Nach neusten Messungen beträgt seine Höhe aber nur noch 4013 Meter, wie der «Der Bund» berichtete. «Das Eis schmilzt und die Vermutung steht im Raum, dass der Berg einmal kein 4000er mehr sein wird», wie Sartorius sagt. Sein Album könnte also zum Zeitdokument werden. Für die Plattentaufe in der Dampfzentrale schneidet Sartorius die Aufnahmen seiner GoPro zu einem Film zusammen. «Es ist wie ein Dia-Vortrag, aber auf musikalische Art», so Sartorius scherzhaft.
Julian Sartorius spielt im Rahmen des Gaswerkareal-Fests, an dem neben der Dampfzentrale auch das Lichtspiel, der Gaskessel und der Wagenplatz Anstadt ihre Türen gegenseitig öffnen – für und mit Kultur.
// Dampfzentrale, Bern Sa., 18.5., 20 Uhr www.dampfzentrale.ch