«Selbst wenn ich nur mit Text arbeite, dringt die Musik durch wie Ungeziefer, das überall ist»
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«Selbst wenn ich nur mit Text arbeite, dringt die Musik durch wie Ungeziefer, das überall ist»

Klassik Experimental
Veröffentlicht am 10.10.2024
Tabea Andres
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Die Wiener Wort- und Soundkünstlerin Karolina Preuschl befasst sich mit der vergessenen Komponistin Élisabeth-Claude Jacquet de La Guerre. Mit dem Berner Barock-Ensemble Freitagsakademie und dem österreichischen Theaterkomponisten Jacob Suske tritt sie an der «Night of Forgotten Female Composers» auf. Wie genau, das weiss auch sie noch nicht. Ein Gespräch über Improvisation, Bubbles und darüber, warum sie ständig in Bewegung bleibt.

Karolina Preuschl, wie stehen Sie zur Barockmusik?

Karolina Preuschl: Ich habe noch nie mit Barockmusik gearbeitet. Und genau das hat mich am Projekt interessiert. Ich bin erst vor kurzem auf den Geschmack gekommen dank einer Freundin, die Flötistin ist. Als dann Jacob Suske auf mich zukam und sagte, er wolle mit der Freitagsakademie zusammenarbeiten und hätte gerne Text, Sprache und was Vokalistisches mit dabei, wurde ich neugierig.

Der Abend dreht sich um die französische Barockkomponistin Élisabeth-Claude Jacquet de La Guerre, die nach ihrem Tod zwischenzeitlich in Vergessenheit geriet. Was interessiert Sie an ihr?

Sie erinnert mich stark an die italienische Renaissance-Malerin Sofonisba Anguissola. Sie hat tolle Bilder gemalt und war zu ihrer Lebzeit auch erfolgreich. Ich wollte herausfinden, wo es ein Anguissola-Original zu finden gibt und erfuhr, dass das Kunsthistorische Museum in Wien eines besitzt. Also fuhr ich hin und suchte es. Vergebens. Man sagte mir dann, es werde nur selten ausgestellt. Da sind viele Parallelen zu Elisabeth-Claude Jacquet de la Guerre. Nur: Wer entscheidet denn letztendlich darüber, wen wir kennen? Das interessiert mich und dieser Frage wollen wir nachgehen.

Was werden Sie an der «Night of Forgotten Female Composers» performen?

Das weiss ich selber noch nicht. Wahrscheinlich schreibe ich Texte. Ich komme aus einer Jazzfamilie, mein Vater ist Kontrabassist und mein Bruder Jazzbassist. Da spielt die Improvisation eine grosse Rolle. Das habe ich auch für meine Textperformance übernommen.

Und wie kommt Ihre Performance dann mit den Texten der dänischen Schauspielerin und Autorin Madame Nielsen, die ja auch mit von der Partie ist, dem Komponisten Jacob Suske und dem Spiel der Freitagsakademie zusammen?

Das werden wir sehen. Wir treffen uns in der Schweiz kurz vor der Veranstaltung das erste Mal.

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Text wird zu Musik bei der Wiener Wort- und Soundkünstlerin Karolina Preuschl. © Inés Bacher

Sie sind auch Musikerin und Soundkünstlerin: Früher waren Sie noch als Rapperin unterwegs, heute machen Sie experimentelle Musik, Sie spielen mit dem Violinisten Tony Wagner im Duo Snake Boots und dann sind Sie auch noch Frontfrau einer Metalband. Und von Ihnen soll an der «Night of Forgotten Female Composers»wirklich keine Musik kommen?

Klar ist das nicht. Das ist auch immer das, was mich interessiert, diese Schnittpunkte, dort, wo sich alles überlappen darf. Und grundsätzlich kann ich auch gar nicht «nicht musikalisch reagieren». Das habe ich mal bei einem Projekt festgestellt, bei dem ich nur Text einsprechen wollte. Der Komponist hat dann den Text abgehört und in Noten umgeschrieben. Was herauskam, war eine Melodie. Selbst wenn ich nur mit Text arbeite, dringt die Musik durch wie Ungeziefer, das überall ist.

«Stagnation ist mein grösster Feind.»
— Karolina Preuschl

Zurück zu Ihren Texten, die zuweilen auch mal ziemlich bissig sind. Wie wichtig ist Ihnen Satire?

Da traue ich mich ad hoc gar nicht so viel zu sagen. Ich bin ein Fan davon, mir immer zuerst die Herkunft von Begriffen anzuschauen, bevor ich mich ihnen widme. Am liebsten würde ich bei unserem Gespräch jetzt auf «Freeze» drücken und dann nachschauen, wo das Wort «Satire» herkommt. Erst wenn ich mich etymologisch damit befasst habe, möchte ich sagen, was ich dazu denke.

Dann sagen wir eben, Ihre Texte sind «zugespitzt»…

Ja, das kommt automatisch. Ich schreibe Texte, in denen die Message auch mal ein harter Schlag ins Gesicht sein kann. Aber es ist immer verpackt in einer Wortspielerei.

Sie hatten vergangenes Jahr ein Engagement beim Schauspielhaus Graz, jetzt kommen Sie zu Bühnen Bern. Fühlen Sie sich wohl in der Welt des Theaters?

Das Theater kenne ich schon sehr gut. Aber nur im Theater arbeiten möchte ich nicht. Das ist ein sehr geschlossener Raum. Und geschlossene Räume führen zu einer Blasenbildung: eine Bubble in einer Bubble sozusagen. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich mit so vielen Projekten gleichzeitig beschäftige.

Wie meinen Sie das?

Ich will nicht festgefahren sein in einer einzigen Bubble. Für mich ist Entwicklung und Bewegung das Wichtigste. Das kann man auf alles stülpen, die Arbeit, Beziehungen. Stagnation ist mein grösster Feind. Und in einzelnen Bubbles passiert ganz viel Stagnation. Das Herumbewegen zwischen den Bubbles ist das, was mich am Leben hält.

// Mansarde im Stadttheater, Bern

Mi., 23., bis Do., 25.10., 19.30 Uhr

www.buehnenbern.ch

www.freitagsakademie.com

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Tabea Andres
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