Shakespeare in 25 Stimmen
Der Bern Chor 21 gibt sich ganz der Dichtkunst des Barden hin. «Those Are Pearls» heisst das Programm rund um den grossen englischen Dramatiker William Shakespeare. A-cappella-Werke von Jaakko Mäntyjärvi und eine Uraufführung von Chorleiter Ewald Lucas erklingen in der Aula des Progr, aber auch ein Klaviersolo, das Shakespeares Frauen huldigt.
Hohe Dichtkunst und das gleich vielstimmig: Eigentlich liegt es auf der Hand, die englische Chortradition und William Shakespeare zusammenzubringen. Aber erst im 20. Jahrhundert entstanden Chorwerke, die sich auf die Strophen und Stoffe des grossen Barden von Avon beziehen. Warum das so ist, das kann sich Ewald Lucas, der Chorleiter des Bern Chor 21, nicht genau erklären. Aus der Zeit von Shakespeare selbst ist zwar auch bereits eine chorale Vertonung bekannt – «O Mistress Mine» von Thomas Morley –, doch lange gab es vor allem Shakespeare-Opern und Solo-Lieder.
Das ist nun anders. Ewald Lukas hatte keine Mühe, das aktuelle Programm «Those Are Pearls» mit Shakespeare-Songs für die 25 Sänger*innen zusammenzustellen. Neben angelsächsischer Chorliteratur hat Shakespeare mittlerweile auch bei skandinavischen Chorkomponisten Anklang gefunden. So interpretiert der Berner Chor das A-cappella-Stück «Shall I Compare Thee to a Summer’s Day» des 2022 verstorbenen schwedischen Komponisten und Jazzmusikers Nils Lindberg, eine fast swingig-schwebend-romantische Referenz an Shakespeares Sonett 18.
«Rhythmisch anspruchsvoller Hexensabbat»
Wechselhaft in den Harmonien und gewichtig-ernst sind die «4 Shakespeare Songs » des Finnen Jaakko Mäntyjärvi. Lied vier, «Double, Double Toil and Trouble» sei ein «rhythmisch anspruchsvoller Hexensabbat» und vertone Zeilen aus Macbeth. «Das Timing wird uns bis in die letzten Proben beschäftigen», meint Ewald Lucas, der den ambitionierten Laienchor anleitet.

Einen roten Faden durchs Programm spinnt die Schauspielerin Rebekka Burckhardt. Mit Zitaten und Gedanken zu Shakespeare und seinen Zeilen tritt sie auch mit einzelnen Sänger*innen in einen deutsch-englischen Dialog. Aufgelockert werden A-cappella-Interpretationen durch Stücke, die von Klavier begleitet sind – und von einem Solo des Pianisten Jean-Jacques Schmid. Er spielt Mel Bonis’ «Femmes de légende». Die postromantische Komponistin widmete ihr Klavierwerk unter anderem auch den Shakespear’schen Frauenfiguren Ophelia und Desdemona.
Wechselspiel zwischen Auge und Herz
Auch eine Eigenkomposition von Ewald Lucas wird zum allerersten Mal erklingen: «Mine Eye’s and Heart’s Delight». Bereits vor 20 Jahren habe er das Sonett 47 vertont, nun, endlich, habe er den passenden Rahmen zur Uraufführung gefunden. «Von der Klangsprache schwebend, spätromantisch» sei das A-cappella-Werk, es besinge das Wechselspiel zwischen Herz und Auge: «Herz und Auge schaukeln sich gegenseitig im Hingezogenheit zur Geliebten hoch.» Sei die Angebetete nicht in Sicht, mache das Herz einen Sprung hin, erblicke es das Auge, entflamme das Herz.
Wenn Ewald Lucas so erzählt, ist es wirklich schwer zu erklären, dass es so lange brauchte, um Shakespeares Imagination und Dichtkunst im Chor zu besingen.