Sie hat keine Angst vor dem Alter
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Sie hat keine Angst vor dem Alter

Bühne Theater
Veröffentlicht am 02.07.2024
Denise Tuna
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Mit nur 26 Jahren geht Theaterstudentin Luca Hass dem Älterwerden auf die Spur. Dass ihr Masterprojekt «ALT» vier über 80-Jährige auf die Bühne holt, hat auch ganz persönliche Gründe.

Im Stück «ALT» dreht sich alles um Pillendosen, fehlende soziale Kontakte, Demenz, Inkontinenz und Vergesslichkeit: Es sind vier Spielende über 80, allesamt Lai*innen, die Luca Hass in ihrem Stück auf die Bühne bringt – und die den Vorurteilen übers Altern mit einem grinsenden Auge begegnen. Dazu gehören Fitnessszenen, die zeigen, wie man sich im Alter fit halten soll oder ein Monolog über das Magazin «Schweizer Hausapotheke», das einem eine Lawine von Medikamenten aufdrückt.

Dabei ist die Schauspielerin und hier nun Regisseurin selbst erst 26 Jahre alt. Warum diese Beschäftigung mit dem Alter? Das hat persönliche Gründe: Luca Hass stammt aus einem kleinen Dorf in Norddeutschland, wo ältere Menschen oft vereinsamen – besonders, wenn die Partner*innen sterben. Das beschäftigte Hass schon länger.

Eines Weihnachtens, als sie wieder einmal für die Feiertage ihren Vater besuchte, bastelte sie kurzerhand Windlichter und beschenkte ältere Menschen in der Nachbarschaft. Eine kleine Geste, aber wichtig, wie die Reaktionen zeigten: «Sie fühlten sich dadurch gesehen.»

Gesehen werden sollen auch die vier Darstellenden im Stück «ALT», mit dem Luca Hass an der Hochschule der Künste Bern ihren Master in Expanded Theatre abschliesst. Dabei hat sie die Handlung gemeinsam mit den Senior*innen erarbeitet. Es sind deren Erfahrungen, die unter Hass' Regie Raum erhalten. Hierbei widerlegen die vier auch die eine oder andere Zuschreibung. Nicht alle Menschen über 80 sind einsam, die vier Darstellenden jedenfalls fühlen sich alles andere als allein. Dennoch erwecke das Bild einer älteren Person allein im Café sofort Mitleid.

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Sie geht dem Alter(n) auf die Spur: Luca Hass. © ZVG

«Weil Theater verbindet»

Die Arbeit am Stück führte auch bei Luca Hass selber zu einem neuen Blick aufs Älterwerden. «Ich freue mich schon richtig darauf», tut sie kund. Und das, weil die Haltungen der Spielenden sie so begeistern und sie schildern, dass man schlicht weniger Erwartungen genügen müsse.

Etwa Schönheitsidealen. Der Fokus darauf, jung und schön zu sein, verschiebe sich zusehend. Und das stellt sich Luca Hass als besonders befreiend vor. Denn im Schauspielstudium werden alle Aspekte des Seins und Scheins akribisch seziert: wie man geht, atmet, steht oder einfach nur Hallo sagt – man werde quasi auf null zurückgesetzt und lerne alles neu. «Das kann einen kirre machen, ständig unter Beobachtung zu stehen.»

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Die vier Spielenden: Katrin Gerber, Liselotte Rohrbach, Ruth Goll und Walter Stäuber (v.l.n.r). © ZVG

So gesehen ist «ALT» ein Begegnungsstück, bei dem eine Masterstudentin ältere Menschen ins Rampenlicht rückt – und durch diese Arbeit auch vieles für sich selbst gewinnt. Ohnehin sieht sie in diesen Begegnungen die Chance, inklusivere Theaterräume zu schaffen. Für sie ist es nämlich am schönsten, wenn alle Generationen aufeinandertreffen. Wenn es also nicht nur Jugendclubs und Senior*innengruppen gibt, sondern Theater für alle – «weil Theater verbindet und Perspektiven schafft.»

So soll es auch in Zukunft weitergehen: Theater zugänglicher machen und Verbindungen kreieren. Nach ihrem Abschluss kann sie dies am Theater Erlangen tun, wo sie fest im Ensemble angestellt ist.

// HKB Theater, Zikadenweg 35, Bern

Fr., 5., und Sa., 6.7., 20 Uhr

www.hkb.bfh.ch/de/theater

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