Sie hat sich wegintegriert
Mit ihren satirischen Videos war Toxische Pommes bislang ein Social-Media-Phänomen. Nun gibt Irina – wie Toxische Pommes zum Vornamen heisst – ihr literarisches Debüt «Ein schönes Ausländerkind». Im autofiktionalen Roman schildert sie authentisch und lakonisch die Erfahrung einer Familie, die nach der Flucht vor dem Jugoslawienkrieg in Österreich Fuss zu fassen versucht. In der Buchhandlung Stauffacher liest sie daraus.
Kurze Pointen hat Toxische Pommes in den sozialen Medien durchgespielt. In ihren gesellschaftskritischen Videos teilt sie im ganzen politischen Spektrum aus. Mal spielt sie den kettenrauchenden Onkel aus dem Balkan, mal den linksversifften Feministen, der trotz gespielter Wokeness nur mit Unreflektiertheit glänzt. Oder mal verkörpert sie die österreichische Brigitte, die ja wirklich gar nichts gegen Ausländer*innen hat. Die Ideen für ihre Videos nimmt Irina aus ihrer eigenen Lebenserfahrung und verdichtet sie zu überspitzten Stereotypen.
Nun hat sie einen Roman geschrieben. In «Ein schönes Ausländerkind» bedient sich Irina, die auch als Buchautorin ihren Nachnamen nicht preisgeben möchte und weiter mit Pseudonym unterwegs ist, ebenfalls ihrer persönlichen Geschichte, ohne jedoch eine Biografie zu schreiben. Als Kind von serbischen und montenegrinischen Eltern kam sie wie auch die Erzählerin im Roman während des Jugoslawienkriegs als Kleinkind nach Österreich.
Dass sie und ihre Eltern sich dort ihren Daseinsgrund erkämpfen müssen, ist für alle spürbar. Integration ist die alternativlose Devise. Was das genau bedeuten soll, ist nicht klar. Was Integration nicht ist, lässt sich anhand der Vaterfigur aber schnell erkennen. Während die Protagonistin und die Mutter dank Schule und Arbeit nach und nach Wurzeln schlagen können, entfremdet sich der Vater zusehends.
Verwurzelung und Entwurzelung
Der Roman stellt mit dem Vater eine Figur in den Fokus, die sich eben nicht integrieren kann, die sich verstecken möchte und sich verliert. Er wird in das Narrativ des faulen Ausländers gezwungen und vegetiert vor sich hin. Innerhalb der Familie machen sich im Verlauf der Jahre in Österreich immer mehr Gräben auf: «Je mehr ich mich in dieser Welt verwurzelte, desto mehr entwurzelte er sich aus allen anderen», fasst die Erzählerin zusammen.
Von Schuldgefühlen geplagt, lässt das «Was-wäre-wenn» die Erzählerin nicht los. Wer wären sie und ihre Eltern geworden, wenn sie nicht geflohen wären? Wenn sie nicht zu «ewigen Gästen in Österreich» geworden wären? Beliebigkeit macht sich fest, etwa dann, wenn die Familie im Sommer ihre Angehörigen am Balkan besucht und sie sich in die Vorstellungen alternativer Lebensverläufe verstrickt.
«Ich hatte den Ausländer in mir erfolgreich wegintegriert»
Doch das Gefühl des Andersseins bleibt auch in den Sommerferien. Österreich fühlt sich dann am meisten wie ein Zuhause an, wenn die Erzählerin nicht dort ist. Denn dann wird klar, dass ein Zurück nicht möglich ist. «Ich hatte den Ausländer in mir erfolgreich wegintegriert. Ich war weiss, christlich und ass gerne Schweinefleisch», beteuert die Protagonistin, die sich innerlich tot fühlt. Die innere Gespaltenheit und der Verlust, den die Integration als Preis mit sich bringt, gehen nah.
Man darf ruhig etwas skeptisch sein, wenn ein Internetstar plötzlich mit einem Roman um die Ecke kommt. Toxische Pommes beweist aber, dass sie auch als Autorin authentische Geschichten erzählen kann. Ein Besuch in der Buchhandlung Stauffacher dürfte sich lohnen.
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