Sie retten schon heute Insekten
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Sie retten schon heute Insekten

Veröffentlicht am 20.12.2023
Vittoria Burgunder
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«Insektensterben – alles wird gut» heisst die neue Sonderausstellung im Naturhistorischen Museum Bern. Obwohl der Rückgang der kleinen Tiere verheerende Folgen hat, wird hier nicht Trübsal geblasen.

Es beginnt mit Franz Hohler. In einer Fernsehaufnahme von 1983 gibt der Schriftsteller und Kabarettist sein Lied «Weltuntergang» zum Besten. Darin beschreibt er den Hergang der Apokalypse. Sie beginnt mit dem Rückgang der Insekten. Mit Hohlers Dystopie im Kopf  betritt man die neue Sonderausstellung übers Insektensterben im Naturhistorischen Museum.

Blick aus der Zukunft

Besuchende befinden sich unversehens im Jahr 2053 wieder – und blicken zurück auf unsere Gegenwart, das Jahr 2023. Es war düster damals: Manche sorgten sich um die Zukunft der Insekten und die des Planeten, andere wollten nichts davon wissen. Es war eine Zeit, in der Firmen mit Sitz in der Schweiz Geld damit machten, Pestizide in den Süden zu exportieren, die im globalen Norden schon längst verboten waren. Damals gefielen die überdüngten grünen Wiesen zwar den Menschen – für Schmetterlinge waren sie die reinste Wüste. Die Situation der Insekten war prekär: Drei Viertel der Biomasse an Fluginsekten waren in den vorausgehenden drei Jahrzehnten einfach verschwunden. 

Insektenhotel auf dem Balkon

So erschütternd die Lage um die Insekten 2023 schien, Ausstellungskurator Simon Jäggi hat den Blick zurück aus der Zukunft nicht fürs Trübsal blasen konzipiert: Damals (also heute), so erfährt man, gab es nämlich auch Hoffnungsträger*innen. Fünf mit Detail-
 liebe eingerichtete Räume, versehen mit interaktiven Stationen und clever eingesetzten Videoprojektionen, führen in die kleine Welt von Menschen, die schon 2023 zur Rettung von Falter, Mücke und Co. beitrugen. Ihre Geschichten erzählen sie über Hörstationen. Etwa im Labor und Bienenhaus von Alex Aebi: Als Pestizidforscher konnte er sich bei Politiker*innen kein Gehör verschaffen, erzählt seine Stimme aus den Kopfhörern. Erst als Imker wurden seine Appelle an die von Landwirten dominierte Politik wahrgenommen.

Ein Raum mit Gummistiefel-Landwirtschafts-Szenario führt die absurde, und dennoch reale Agrarwirtschaft vor Augen. Doch nicht alle Landwirt*innen sind Sündenböcke, einige sind Retter*innen: Auch 2023 gab es in der Schweiz Höfe, auf denen insektenschonend produziert wurde. Etwa auf dem Fondlihof im Zürcher Limmattal. Alle, die auf dem Hof produzierten, und alle, die Produkte vom Hof konsumierten, organisierten die Herstellung der Lebensmittel gemeinsam.

Wer einen Raum verlässt (es wartet noch die Küche eines Insektenzeichners, der Subaru eines Försters und eine Beiz, in der sich Naturschutz-Aktivist*innen treffen) gelangt in die karge Halle, von der aus die kleinen Welten betreten werden können. Hier sind Nahaufnahmen von Insekten an die Wände projiziert, dazu ertönt Gezwitscher, Summen, Gewitter und Wind. 

Am Ende ist es wieder Franz Hohler, der die Zukunftsreisenden zurück in die Gegenwart holt und verschiedenste Vorschläge für die Rettung der Insekten auf Lager hat. Zurück im Jahr 2023 ist man durchaus etwas zuversichtlicher gestimmt – und überlegt sich, ein Insektenhotel auf dem Balkon zu eröffnen.

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Vittoria Burgunder
Vittoria Burgunder
Stellvertretende Redaktionsleiterin

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