Triebe in alle Richtungen
Das Trio Quiet Tree um den Saxofonisten Simon Spiess präsentiert im Zollyphon sein neues Album. Verwurzelt im Jazz, sucht sich der leise Baum einen verästelten Weg im musikalischen Experiment.
«Euphorbia», auf Deutsch auch «Wolfsmilch» genannt, ist eine Pflanzengattung verschiedenster Formen und Farben – vom stachligen, kaktusartigen Gewächs bis zur zierlichen Zimmerpflanze. «Euphorbia» heisst auch das neue Album von Simon Spiess und seinem Trio Quiet Tree, bestehend aus dem Tenor-Saxofonisten sowie Marc Méan an Flügel und Synthie und Jonas Ruther an den Drums.
Als «New Spiritual Jazz», «Positive Music» und «Avantgarde Pop» beschreiben die drei ihre Musik, und das trifft es nicht schlecht. Die neun instrumentalen Tracks haben ihre gemeinsamen Wurzeln in einer Spielart des Minimal Jazz, der mit subtilen Variationen und spacigen Melodien sowie oft polyrhythmischen Ostinato-Figuren hantiert. Der weiche, gedämpfte Klavierklang, die sehnsüchtig-singenden Saxofon-Riffs und die groovenden Drumbeats verleihen der Musik eine Aura der Geborgenheit, des Rituellen. Feine Elektronik-Elemente sorgen für zusätzliche Nuancen.
Britannien, Balkan und Super Mario
Mal klingt das Ganze nach Walzer an einem regnerischen Nachmittag an der britischen Küste («Grieving Was Yesterday», inklusive schreienden Möwen), mal nach Impromptu im lauen Spätsommer in Südosteuropa («Light Light Light»), mal nach einem Unterwasser-Level in Super Mario 64 («Sø»).
Die verschiedenen stilistischen Auswüchse der Musik – in der Mischung seltsam futuristisch anmutend – gleichen den Trieben der namensgebenden Pflanze, von den Wurzeln bis zum Wipfel. Der weisse Saft des Gewächses, die «Wolfsmilch», ist übrigens giftig – ganz im Gegensatz zu den wohltuenden Klängen von Simon Spiess Quiet Tree.