Über Spiegelungen des Verlusts
In «Miroirs No. 3» erzählt der deutsche Regisseur Christian Petzold von einer jungen Frau, die nach einem Unfall in ein fremdes Haus aufgenommen wird. Dort gerät sie in ein Geflecht aus Nähe, Fremdheit und Projektionen.
Auf den ersten Blick scheint beim neuen Spielfilm «Miroirs No. 3» von Christian Petzold vieles nicht plausibel. Laura, gespielt von Paula Beer, steht mit melancholischem Blick auf einer Brücke und schaut abwesend in die Ferne. Zweimal verliert sie innerhalb kürzester Zeit ihre Handtasche, und auf der Reise mit ihrem Freund aufs Land wirkt sie wie ein Fremdkörper in der Welt. Dann geschieht der Autounfall: Beinahe surreal liegt das rote Cabriolet am Strassenrand, ihr Freund ist tot, und Laura wird von der Hausbesitzerin Betty, verkörpert von Barbara Auer, am Unfallort gefunden und in ihr Haus aufgenommen. Dort entspinnt sich ein seltsames Mutter-Tochter-Verhältnis, das trotz sommerlichem Idyll von Befremden und Unbehagen durchzogen ist. Denn nach und nach wird klar, dass die Klavierstudentin Laura die tote Tochter ersetzt. Die Leerstellen häufen sich – unheimliche Blickkontakte und rätselhafte, scheinbar nebensächliche Handlungen verstärken das Unwohlsein. Und es fragt sich, wer hier wen und was spiegelt – und wie Verlust und Trauer gelebt, verdrängt oder neu geformt werden.
Der Sog von Projektionen
Christian Petzolds «Miroirs No. 3» fügt sich nahtlos in das Œuvre des Regisseurs ein. Seine kühle und thrillerartige Dynamik entfaltet er mit reduzierter Bildsprache und einer klaren, unaufdringlichen Komposition. Worte treten zurück, während Gesten und vor allem die langen Blickkontakte die schweigenden Zwischenräume füllen. Die Nähe, die fast unbemerkt in Fremdheit übergeht, erzeugt einen fesselnden Sog von Projektionen. Und auch wenn vieles unausgesprochen und sparsam erzählt bleibt, so zeigt Petzolds Film eines: Innere Vorgänge um Verlust, Trauer und Wiederaneignung sind selten plausibel.
// Ab Do., 9.10., in den Kinos