Verwirrungen und Verwebungen
Der Theaterclub TKKG (Theater kennt keine Grenzen)/U26 der Jungen Bühne Bern führt eine Adaption von Shakespeares «Was ihr wollt» auf. Das Stück, das nun «Was wir wollen» heisst, verleiht dem Klassiker frischen Wind und überlässt der Liebe die Hauptrolle. Die Fluchterfahrung einiger Ensemblemitglieder spielt ebenso mit. In der Grossen Halle bringt das 16-köpfige Ensemble die Komödie auf die Bühne.
Die schiffsbrüchige Viola ist in einem fremden Land gestrandet – und verkleidet sich dort als Mann und nennt sich Cesario. Dies führt dazu, dass Gräfin Olivia sich in Cesario verliebt, was zahlreiche Missverständnisse nach sich zieht.
Shakespeares «Was ihr wollt» ist eine romantische Komödie, die sich um Verwechslungen, Verkleidungen und die Suche nach Liebe dreht. Doch ist es nicht der Charme des Stoffs allein, der die Junge Bühne Bern bewog, ihn zu inszenieren.
So weist die Geschichte durchaus Parallelen zu den Biografien einiger der Ensemblemitglieder auf: Dass die Figur Viola einen Schiffsbruch erleidet und sich deswegen an einem neuen Ort wiederfinden muss, ist für viele der Spielenden eine erfahrene Realität. Denn TKKG (Theater kennt keine Grenzen) ist ein niederschwelliges Theaterangebot, das Menschen mit Fluchterfahrung und solche ohne zusammen auf die Bühne bringt.
Alle sprechen ihre Sprache
Ein Blick in eine Probe zeigt, wie gut dieses Ensemble zusammenspielt. Bei Improvisationsübungen sprechen alle ihre je eigene Sprache. Und vieles passiert ohnehin mit Tanz und Bewegung. Einige der Spielenden sind auch privat verbunden und wohnen zusammen in Wohngemeinschaften. Und die Theaterlust scheint ohnehin allen gemein zu sein.
Der Geschichte folgen zu können, ist für das Theaterensemble zweitrangig. Auf der Bühne herrscht bewusst grosse Verwirrung und alle spielen alle, ohne auf Geschlecht grossen Wert zu legen. Vielmehr geht es darum, sich spielerisch an Identität und Liebe heranzutasten.
Das eigene Begehren im Zentrum
Luzius Engel, Co-Leiter der Theatergruppe, ist sich bewusst, dass Shakespeares «Was ihr wollt» heutigen gesellschaftlichen Idealen nicht mehr entspricht. Sexismen, Heteronormativität und Binarität der Geschlechter gehören zum Text. Doch genau hierin sieht er den Reiz: in der Auseinandersetzung mit diesem kulturellen Erbe und der daraus resultierenden Dekonstruktion dieses kanonisierten Werkes.
So deutet die Titeländerung zu «Was wir wollen» bereits darauf hin, dass nun die eigenen Begehren im Mittelpunkt stehen. Theaterpädagoge Luzius Engel erklärt: «Wir sind nicht sehr ehrfürchtig mit dem Text umgegangen.» So wäre ein potenzieller Ausgang des Stückes, dass Viola ein Mann bleibt und mit Olivia zusammenkommt – was vor 400 Jahren kaum möglich gewesen wäre.
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