«Wen suchet ihr?»
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«Wen suchet ihr?»

Musik Klassik
Veröffentlicht am 24.03.2024
Hannah Plüss
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In seiner Johannespassion vertonte Johann Sebastian Bach die ganze Palette der österlichen Gefühle. Zweifel, Trauer, Angst und Freude: Sie alle finden im grossen Kirchenwerk mit den besinnlichen Rezitativen und den mächtigen Chorälen Gehör. Der Berner Kammerchor und das Ensemble Bern Consort bringen das Opus ins Münster und in die Französische Kirche. Es singen Solist*innen, darunter die Altistin Josy Santos.

Die Osterzeit bedeutet Frühlingsanfang, Ostereier färben, Schoko-Hasen verstecken – und auch, sich an den Leidensweg Jesu zu erinnern, zumindest in den christlichen Gemeinschaften. Dafür dienen die Passionsmusiken: Kirchenwerke irgendwo zwischen Musik und Theater, die die Erzählungen der vier Evangelisten Leiden und Sterben des christlichen Erlösers vertonen. An diesem Karfreitag, genau 300 Jahre nach ihrer Uraufführung, bringen der Berner Kammerchor und das Ensemble Bern Consort Johann Sebastian Bachs Johannespassion zum Erklingen. 

«Ich bin’s» 

Rezitative der Solist*innen und grosse Chorpartien wechseln einander ab, die Kontraste prägen das Werk. Neben der Matthäuspassion ist es die einzig vollständig erhaltene des grossen Barockkomponisten: Auf den spannungsgeladenen Eingangschor folgen auch liebliche Teile, die zweite Arie zum Beispiel, in der von der Freude gesungen wird, Jesus zu folgen; oder, wenn Jesus am Ende des ersten Recitativo ganz unschuldig fragt: «Wen suchet ihr?» und der ganze Chor bedrohlich singt: «Jesum von Nazareth.» Jesus antwortet gelassen: «Ich bin’s.» 

«Alle, die diese Dramatik des Menschseins hören, egal, ob dem Glauben nah oder nicht, werden zutiefst davon berührt.»
— Jörg Ritter, künstlerischer Leiter des Berner Kammerchors
Staatsoper Hannover
2017/2018
Portraitserie
Sie gehört zu den Solist*innen der Johannespassion: Altstimme Josy Santos. © Thomas M. Jauk

Daraufhin nimmt das Drama seinen Lauf, aber auch der tragische Tod am Kreuz und die tiefe Trauer der Hinterbliebenen wird musikalisch immer wieder mit deren Hoffnung kontrastiert. Am Ende singt der Schlusschor salbungsvoll vom Versprechen, Jesus ewig treu zu bleiben. Genau diese Vielschichtigkeit fasziniert Konzertleiter Jörg Ritter: «Diese Ebene persönlichen Mitleidens, oft in Ichform und die ganz eigene Emotionalität der Musik kulminieren bei Bachs Kompositionen in besonderer Weise. Alle, die diese Dramatik des Menschseins hören, egal, ob dem Glauben nah oder nicht, werden zutiefst davon berührt.»

Den Widrigkeiten zum Trotz

Ritter legt Wert auf eine historisch informierte Aufführung, weshalb er schon vor zehn Jahren das Bern Consort Ensemble gegründet hat. Bach habe in Briefen beispielsweise viele Hinweise auf seine idealen Klangvorstellungen hinterlassen – und auf die Widrigkeiten seiner Zeit, wenn etwa das halbe Ensemble krank war oder die Sänger keine Lust hatten.

«Wie der Komponist trotzdem diesen Kosmos an Grossartigkeit und Klarheit erschuf, zeigt auch, wie pragmatisch wir selbst mit diesen Werken umgehen sollten, um sie in der Gegenwart zu entfalten», meint Ritter.

//Münster, Bern. Fr., 29. 3., 17 Uhr //Französische Kirche, Bern. Sa., 30.3., 19.30 Uhr www.bernerkammerchor.ch

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Hannah Plüss

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