Wenn sich Franz Kafka und Mani Matter die Hand geben
Das studentische Festival für Theater, Tanz und Performance, das Bestival, findet heuer während fünf Tagen erstmals in der Grossen Halle statt. Eröffnet wird es vom Best Ensemble und seinem durchaus komisch-kafkaesken Stück «Von Amtes Wegen». Die Verwirrungsgeschichte im Labyrinth der Bürokratie zeigt, wie aktuell Kafka auch 100 Jahre nach seinem Tod noch ist.
Ein unerwartetes Ereignis tritt ein. Dann herrscht Unverständnis, denn das ist alles sehr schleierhaft. Die Lage verschärft sich schleichend, es stellt sich ein Unbehagen ein, eines, das sich nicht mehr abschütteln lässt. Am Ende wird das Schicksal besiegelt – ohne, dass darauf Einfluss genommen werden könnte.
Sie sind seltsam-verstörend, die Romanfragmente und Erzählungen von Franz Kafka. Verstört ist auch sein Protagonist Josef K., der in «Der Prozess» eines Tages verhaftet wird. Warum weiss er nicht. Und auch zum Gericht, das ihn vorlädt, findet er keinen Zugang.
Franz Kafka ist zwar bereits 100 Jahre tot, sein Stoff spricht aber durchaus in die Gegenwart. Auch die Theatergruppe des Vereins Berner Student*innen Theater (BeST) holt den Prager Schriftsteller auf die Bühne. Sein unvollendeter Roman steht ihrem Stück «Von Amtes Wegen» Pate.
Der Plot ist neu, das Surreale bleibt
So erarbeitete das achtköpfige Ensemble einen neuen Plot, der das surreale Labyrinth des Kafka-Romans in die heutige Bürokratie transportiert.
«Wir zeigen die Absurdität anhand von Situationen auf, in denen sich das Publikum auch schon befunden haben dürfte», sagt Caroline Hodel, künstlerische Leiterin der Produktion. Auch die Zuschauenden dürfen also zusammen mit der Hauptfigur K. verwirrt sein, wenn diese aus anfangs noch ungeklärten Gründen beim Amt vorstellig wird und von einem Zimmer ins nächste geschickt wird. Offenbar wissen auch die Beamt*innen nicht, wohin K. muss, um die nötigen Formalitäten zu erledigen.
Das Unbehagen amüsiert
Doch fühlt sich das Absurde nicht nur in verstaubten Büroräumen heimisch, auch modernere und vermeintlich offene Räume können sinnfrei sein. Im ersten Zimmer etwa stolpert die Figur in eine moderierte Talkrunde à la «Sternstunde Philosophie» rein. Der unerwartete Gast versteht nichts in der hochgestochenen Diskussion, wird aber gleich zum Mitreden aufgefordert.
In einer anderen Szene findet sich K. in einer Art Vorlesung wieder – oder ist es doch ein Gottesdienst? Schauspielerin und Technikerin Klara Risch, die im Stück mitspielt, kann sich hier besonders in die Figur hineinversetzen, wie sie sagt: «Das Kreditpunktesystem an der Uni hat wohl jede*n Student*in schon mal auf die Palme gebracht.» Und: «Wer das auch kennt, wird lachen können.»
«Von Amtes Wegen» wird also nicht nur für Unbehagen sorgen, sondern auch amüsieren. Das Spiel mit repetitiven Erklärungen und Fragen hilft dabei ebenso wie der Umstand, dass ein Ensemblemitglied auch mal einfach eine Lampe verkörpert.
Matter, der optimistische Kafka
Das sterile Amt wird im schlichten Bühnenbild durch Styroporwürfel dargestellt, aus denen das Ensemble ad hoc die Amtszimmer baut. Dabei wechseln auch jeweils die Rollen. Alle Schauspieler*innen verkörpern K. Rascheln von Papier oder das Klimpern der Schreibmaschine dienen als Geräuschkulisse.
Wie in Mani Matters «Är isch vom Amt ufbote gsy» verirrt sich K., und weiss nicht einmal genau, wieso eigentlich. Mit der Songmelodie und dem Büro 146 spielt das Ensemble auf den Berner Liedermacher an.
«Mani Matters Lieder haben ja auch etwas sehr Kafkaeskes, aber er hatte was Optimistischeres als der Literat», sagt Hodel. So sei auch «Von Amtes Wegen» nicht ganz so tragisch wie «Der Prozess».
Von und mit Jungen, aber für alle
«Von Amtes Wegen» eröffnet das Bestival, das heuer während fünf Tagen erstmals in der Grossen Halle stattfindet. Organisiert wird das Festival für Theater, Tanz und Musik von einem Komitee, das sich mehrheitlich aus Studierenden der Theaterwissenschaften zusammensetzt. Für sie ist das Bestival auch eine Probe fürs Leben, die meisten von ihnen wollen auch später Theater machen und Festivals auf die Beine stellen.

Passend habe man auch junge Nachwuchsensembles ans Bestival geholt. «Wir wollen jenen eine Chance auf Bühnenluft geben, die sich noch nicht in der Szene etabliert haben», sagt Projektleiterin Rebecca Wasem. «Und dies auch mit einer fairen Gage.»
Neben dem Best Ensemble, das fix zum Festival gehört, sind auf die Ausschreibung der Organisator*innen Bewerbungen von Kunstschaffenden aus der ganzen Schweiz eingetroffen. «Das Bestival ist von jungen Menschen gemacht, soll aber ein breites Publikum jeden Alters ansprechen», sagt Co-Kuratorin Kaja Schranz. Das Programm ist entsprechend breit.
Von der Dragperformance zum Schauderstück
Schauspieler*in Enno Rennenkampf etwa performt als «Edin the Guard» und bringt einen Mix aus Dragshow, Spoken-Word und Theater ans Festival. Die Zürcher Dance Company One kombiniert im Kurzstück «Stubborn Illusion» zeitgenössische Tanzstile, darunter auch Streetdance, und wagt sich tänzerisch in die Theorien der Naturwissenschaften.

Und wer nach «Von Amtes Wegen» das Unbehagen weiter ergründen möchte: Im Stück «Rohöl» wird der Horror- und Fantasyfilm «The Lighthouse» aus dem Jahr 2019 auf die Bühne gebracht. Statt Willem Dafoe und Robert Pattinson sind im expliziten Stück, das ab 16 Jahren empfohlen wird, Aline Schmassmann und Alexander Powell in den Rollen der Leuchtturmwärter auf der einsamen Insel. Hier kommt bald einmal gegenseitiges Misstrauen auf und die Realität schwindet der Imagination. Nicht nur der mit Licht und Klang kreierte Blitz und Donner dürften hier für schönes Schaudern sorgen.
//Grosse Halle, Bern
Mi., 24., bis So.,28.4.
- «Von Amtes Wegen»: Mi., 24.4., 17.30 Uhr
Wir verlosen 1x2 tickets für die Vorstellung «Von Amtes Wegen»: tickets@bka.ch
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