Zusammenkunft der freundlichen Mischwesen
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Zusammenkunft der freundlichen Mischwesen

Kunst Ausstellungen & Kulturerbe
Veröffentlicht am 27.02.2024
Tabea Andres
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Eine fabelhafte Komfortzone: In der Galerie da Mihi gibt die Performance-Künstlerin Victorine Müller ihr malerisches «Coming-out». Ihre Werke entführen in luzide Traumwelten, in denen Betrachter*innen mystischen, aber meist lächelnden Figuren begegnen.

Wer in der Kunstwelt unterwegs ist, hat sie bestimmt schon mal angetroffen: die grossen, durchsichtigen, ballonhaften Objekte der Performancekünstlerin Victorine Müller. Oftmals stellen die mit Luft gefüllten PVC-Skulpturen schillernde Fabelwesen oder Tiere dar. Durch ihre Transparenz und den Einsatz von Licht bekommen sie etwas Funkelndes, Magisches, Traumwandlerisches. Und meist legt, setzt oder stellt sich die in Grenchen geborene und heute in Zürich lebende und arbeitende Künstlerin selbst in ihre Objekte hinein.

Fragile Elefanten und andere Kuriositäten

Müller und ihre Fabelwesen sind längst nicht nur in nationalen Gefilden anzutreffen. Mit ihrer poetischen Performance «Timeline» war sie schon fast überall auf der Welt, so etwa 2018 in Seoul unterwegs: In einem riesigen Elefanten, der fragil und stark zugleich wirkte, schien für die Künstlerin das Gesetz der Schwerkraft ausgehebelt. Immer mehr widmete sich Müller in der Vergangenheit auch der Malerei. Und so zeigt die Galerie da Mihi, in der die Künstlerin in den vergangenen Jahren bereits mehrfach Objekte, Skulpturales und Zeichnungen ausstellte, nun erstmals eine Schau, die sich ausschliesslich auf ihre Malerei konzentriert.

Und auch hier sind die für Müller typischen «Zwitterwesen» anzutreffen. Sie entführen die Besucher*innen in luzide Traum- oder sonstige Parallelwelten. In der Ausstellung zu sehen gibt es Einzelporträts genauso wie skurrile Gruppenkompositionen.

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Muten fast schon viktorianisch an: ziemlich gut angezogene Fabelwesen in der Ausstellung von Victorine Müller. © Victorine Müller

Eine Figur erinnert in an einen Wendigo, ein Wesen aus der kanadischen «First Nation»-Kultur der Anishinabe, das einem Elch gleicht. Als von Rachsucht getriebener Geist ergreift er gewaltsam Besitz von Menschen, ja lässt sie gar zu grausamen Kannibal*innen werden.

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Hat zwar etwas Geweih-ähnliches auf dem Kopf, sieht aber viel freundlicher aus als der böse Wendigo. © Victorine Müller

Im Kreise der entspannten Göttinnen

Doch die Ähnlichkeit ist flüchtig und rein äusserlich, einzig die geweihtragende Gestalt verbindet den Wendigo und die gemalte Figur, von der nichts Bedrohliches oder Verstörendes ausgeht. Müllers Wesen sind freundlich und einladend. Da kann schon mal der Gedanke aufkommen, ob etwas mehr Abgrund und Dunkelheit ihnen nicht gut anstehen würde. Emotionen wie Rachsucht, Gier oder auch Wut traut man diesen lieblichen Wesen, deren Münder oftmals ein Lächeln umspielt, allerdings nicht zu. Die Figuren wirken verzückt und entrückt, wohlig eingebettet in ihrer mystischen und von Müller in freundlichen Farben gehaltenen Umgebung: Das zeigt sich etwa in einer sitzenden, alienhaften, kleinen Figur, deren Kopf nach oben gestreckt ist, ganz so, als würde sie sich sonnen.

Wenn Müllers gemalte Wesen überhaupt Geschlechtsmerkmale aufweisen, dann sind das weibliche. Und es kommt beim Betrachten der Malereien auch mal das Gefühl auf, dass wir uns gerade im Kreise von entspannten, amorphen Göttinnen wiederfinden. Die Schau in der Galerie da Mihi ist durchaus ein verspieltes und lustvolles Stelldichein von freundlichen Mischwesen.

// Galerie da Mihi

Vernissage: Fr., 8.3., 18 Uhr

Ausstellung bis 20.4.

www.damihi.com

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