BKa N°13 – Szanto sehnt sich nach Abkühlung
Stephanie Szanto ist vielfältig: Die Berner Mezzosopranistin, Komponistin und Produzentin teilt die Bühne mit den grossen Orchestern, mag aber auch Jazz, Jodeln und R 'n' B. Mit ihrem Duo The High Horse nimmt sie sich missglückten Bravo-Hits an. Der BKa gibt sie Klassik-Tipps, die sich auch mal abseits der Konventionen bewegen.
Der Thermo-Kognitionseffekt . Welche ist Ihre peinlichste Erinnerung aus der Kindheit? In den Top Ten von meinen befindet sich dieser Klassiker: auf dem Drei-Meter-Sprungturm in der Badi wegen nicht Getrauens rückwärts, an genervt und hämisch dreinschauenden Kindern vorbei, die Leiter wieder herunterzuklettern. Letzte Woche durchlebte ich bei sommerlichen Backofentemperaturen eine Erwachsenenversion davon, als es sich ergab, dass ich mit dem Auto durch eine Waschstrasse fahren musste. Aus da noch unerklärlichen Gründen verstand ich das Gefuchtel des Mitarbeiters nicht, sodass ich dermassen krumm auf dem Rollband landete, die gesamte Anlage stoppen musste und ich rückwärts wieder aus der Waschstrasse herausfahren durfte. Kurz darauf fiel mir mein Handy ins heisse Nudelwasser, was mich auf die unausweichliche Frage brachte: Bin ich dümmer geworden? Am selben Abend sah ich, wohl unbewusst zwecks Kompensation, eine Dokumentation über Albert Einsteins Relativitätstheorie. Und dann fiel es mir als winterweisses, schneeliebendes Wesen wie Schuppen von den Augen: Bei steigender Hitze werde ich wohl potenziell blöder. Laut Recherche scheint das auch ein kognitives Phänomen zu sein – Gott sei Dank! In Anlehnung an Einstein habe ich zu meinem Freudeli (ja, ich kann nerdy sein) den fantasierten «Thermo-Kognitionseffekt» gebastelt (an Physiker*innen: k = Spass): IQ(T) = IQ₀ − k · (T − T₀). Je höher die Aussentemperatur (T), desto steiler der Absturz meines Verstandes (IQ). Falls es Ihnen auch ein bisschen so geht wie mir, dann habe ich hier einige abkühlende Konzerttipps für Sie.
Immer gut: Die Kühle der Berge. Am diesjährigen Gstaad Menuhin Festival geben sich grosse Namen sowie interessante Newcomer der Klassikwelt die Klinke in die Hand (diverse Orte, Gstaad und Umgebung. Fr., 18.7., bis Sa., 6.9.) . Ganz besonders kann man sich auf die phänomenale Luzerner Starsopranistin Regula Mühlemann freuen. Unter anderem gemeinsam mit Pianistin Tatiana Korsunskaya singt sie ein sehr persönliches Programm zur Thematik «Bergwelt und Heimat» (Kirche Zweisimmen. Mi., 23.7., 19.30 Uhr) – neben Schuberts kammermusikalischen Perlen stellen sie auch kaum bekannte Komponist*innen wie Wilhelm Baumgartner, Friedrich Niggli und Marguerite Roesgen-Champion ins Licht. Bei jedem von Mühlemanns Konzerten bin ich nicht nur musikalisch und technisch überwältigt, sondern auch tief berührt und verlasse den Saal jedes Mal mit vor Rührung verschmierter Mascara. Prädikat: von ganzem Herzen empfohlen!

Auch ein weiterer meiner Lieblingsmusiker*innen ist am selben Ort anzutreffen: Violinist Daniel Hope . Mit Freunden kehrt er dorthin zurück, wo unter Yehudi Menuhins Einfluss seine Weltkarriere begann (Kirche Saanen. Fr., 6.9., 19.30 Uhr) . Mit dem Bandoneonspieler Omar Massa etwa kann man auf ein stilistisch spannendes Konzert gespannt sein. Boccherini, Bartók, de Falla und Piazzolla stehen auf dem Programm.

Trotz der Sommerpause von Konzertsälen und Theatern findet man auch in der Stadt Schönes: Im Rahmen des BeJazzSommer Openairs feiert unter anderem die Jazzband Ydivide des jungen Komponisten und Schlagzeugers Clemens Kuratle ihre Albumtaufe (Berner Generationenhaus. Mi., 30.7., 21.30 Uhr) . Kuratles wahrlich wunderschönen Klangwelten, die so filigrane wie kraftvolle Elemente vereinen, lassen mich bei einem kühlen Bier glückselig an kühlere Orte weggrooven.
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Wer sich nach einer richtigen Abkühlung sehnt und nicht mehr zuhören mag: Machen Sie es doch wie Graf Ferdinand Harrach. Als leidenschaftlicher Billardspieler liess er sich 1905 einen Billardtisch in «seine» kühlen Mauern des Schloss Oberhofen stellen. Bei einem Ausflug an den Thunersee könnte man den Carambole-Billard-Schnupperkurs im Schloss besuchen und anschliessend gräflich in den See hechten (Schloss Oberhofen. So., 20.7., 11.15 Uhr) . Der Kurs ist im Museumseintritt inbegriffen. Das Bad auch.
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