BKa Nº12 – Pergoletti wünscht der Jugend viel Theater
Die Theatermacherin Grazia Pergoletti prägt seit den 1990er-Jahren die Bühnen der Hauptstadt. Gemeinsam mit Meret Matter und Ruth Schwegler gründete sie den legendären Club 111 im Tojo Theater, später war sie Ensemble-Mitglied des Stadttheaters Bern. Im Schlachthaus brachte sie 2024 mit «Schwarzenbach – Le Dolce Vite» ihr Leben als Gastarbeiterkind auf die Bühne. Für die BKa hält sie Ausschau nach Theater, das sie selbst erleben will.
Ohne das Junge Theater Basel würden sie diese Zeilen wahrscheinlich nicht lesen, denn ich hätte wohl niemals den Weg auf die Bühne gefunden. Ohne das Junge Theater Basel wäre ich vermutlich nicht in Bern gelandet, um Schauspielerin zu werden, sondern hätte vielleicht den Kiosk meiner Mutter weitergeführt oder eine Banking-Lehre gemacht, wie mein Vater es mir eindringlich nahelegte. Denn ohne es hätte ich niemals die Schulvorstellung seines Jugendtheater-Hits «Kasch mi gärn haa» mit Dani Levy in der Hauptrolle besucht und beim Auftritt von Ueli Jäggi als «Orgi», dem Orgasmus auf Rollschuhen, gedacht: So was möchte ich auch machen! Theater für junge Menschen ist wichtig. Unter anderem, damit auch Leute zum Theater finden, die nicht schon von Haus aus hingeführt werden. Von Mi., 25.6., bis Sa., 28.6., findet auf diversen Berner Bühnen das Spiilblätz-Festival statt – mit Aufführungen der Jugendtheaterclubs der Schweiz. So zum Bleispiel «Freisein? Zwischen Kampf, Traum und Wirklichkeit» (Vidmar 1, Liebefeld. Fr., 27.6., 17 Uhr) und «Gl1tch» (Grosse Halle Bern. Sa., 28.6., 21 Uhr) . Gehen Sie hin mit Ihren Kids, es könnte lebensverändernd sein.

Ebenfalls lebensverändernd können Rituale wirken. Wenn ein Publikum sich hinsetzt, um gemeinsam einer Geschichte zu folgen und ein Stück weit an sie zu glauben, obwohl es weiss, dass alles nur gespielt ist, hat das auch etwas Rituelles. Bewusstseinserweiternde Performances gibt es erfahrungsgemäss am Belluard Bollwerk Festival in Fribourg zu entdecken. Joshua Serafin hat eigens für die Eröffnung die Tanz-Performance «VOID: Ocean Vessels» entwickelt (Forteresse, Fribourg. Do., 26.6., 22 Uhr) . Laut Infotext «ein soziologischer Exorzismus, der globale Ideologien hinterfragt und die historische Gewalt der feudalen Gegenwart sowie ihre entmenschlichende Normalität offenlegt».

Grosser Beliebtheit erfreuen sich sogenannte Site-Specific-Performances, die nicht in Theatern gezeigt werden, sondern einen realen Ort als Kulisse bespielen. Eine solche Site-Specific-Aufführung von überwältigendem Ausmass, auch Freilicht-Theater genannt, findet alljährlich auf dem Ballenberg statt. Wobei beim Ballenberg nicht ganz klar ist, ob es sich um einen realen Ort oder doch um eine Art Kulisse handelt? Heuer wird die Geschichte «Der Geltstag» des grossartigen Dichters und Polterers Jeremias Gotthelf in Szene gesetzt (Landschaftstheater Ballenberg. Premiere: Mi., 2.7., 20 Uhr. Vorstellungen bis 16.8.) . In der Hauptrolle die unfassbar lustige Schauspielerin Anne Hodler, auch bekannt aus der Doku-Soap «Experiment Schneuwly».

Theater kann Wirkung haben, auf die eine und auch andere Weise. Wie theatralische Prozesse eine Ideologie und auch das Alltagsleben prägen können, damit setzt sich Mariia Kramar in ihrer «Masterproduktion Expanded Theater» auseinander. Das Stück «Theatre of The Accused» beschäftigt sich mit sowjetischer Agitation der 1920er-Jahre und lädt dazu ein, das Verhältnis von Recht, Macht und Leistung in der heutigen Zeit zu hinterfragen (Aula im Progr, Bern. Fr., 4., und Sa., 5.7., 20 Uhr) .
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