Im Bild Nº10 – «Dyke at Heart», Li Tavor
Der Raum, den ich betrete, ist in pinkes Licht getaucht. Ich atme den schweissig-beissenden Geruch von Latex, während ich mich dem gegenüberliegenden Fenster nähere. Ein leuchtender Vorhang teilt sich in der Mitte und offenbart mehr als er verdeckt. Das Fenster erweist sich als Illusion, gibt den Blick frei auf ein glasig verschwommenes Tableau weiblicher Zweisamkeit. Ich verstricke mich sogleich ins Spiel eines intimen Outings, meine Neugier macht mich zur Komplizin dieser lesbischen Fantasie. «Dyke at Heart» – so steht es ja auch in Neon-Schnörkeln über dieser romantischen Peepshow. Sie ist Opener einer Schau, die irgendwo zwischen Pathos und Verletzlichkeit die prekären Zustände queerer Erfahrungen umkreist, denen der Diskurs des «Outings» ebenso eingeschrieben ist wie die anhaltende Geschichte von Rückzug, Isolation und Verborgenheit. «In the Closet» nennt Künstler*in Li Tavor die Installation in der Stadtgalerie in drei Räumen. Ich bewege mich durch Vorhänge, Töne, Gerüche und pausiere dabei vor flackernden, geheimnisvollen Videoaufnahmen, die auf unterschiedlichen Bildschirmen in Endlosschlaufe ablaufen. Einsamkeit, Angst, Scham, Lust, Unsicherheit, die Suche nach körperlichen und geschlechtlichen Neubesetzungen, sie alle sind mit eingeschlossen in diesen ephemeren Projektionen. Bild- und Tonspuren überlagern sich und füllen den Raum mit Uneindeutigkeit. In einem dahinterliegenden Raum treffe ich auf übergrosse, schwarz lackierte Objekte, die an Kleiderbügel und Bettpfosten erinnern und durch Zeit und Raum festgefroren sind. An den Wänden hängen in Kunstharz gegossene Textilien aus Jeans: Erstarrte Fetische eines queeren Boudoirs, die einen Halt im Körper, in der Identität und in der Gesellschaft heraufbeschwören, den es so nie gibt.