Szantos Übergangshöllen und Auswege
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Szantos Übergangshöllen und Auswege

Klassik
Veröffentlicht am 06.06.2025
Stephanie Szanto
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Stephanie Szanto ist vielfältig: Die Berner Mezzosopranistin, Komponistin und Produzentin teilt die Bühne mit den grossen Orchestern, mag aber auch Jazz, Jodeln und R 'n' B. Mit ihrem Duo The High Horse nimmt sie sich missglückten Bravo-Hits an. Der BKa gibt sie Klassik-Tipps, die sich auch mal abseits der Konventionen bewegen.

Was stellen Sie sich vor, wenn Sie das Wort «Übergangshölle» lesen? Bevor Sie sich jetzt hinterfragen, warum Sie noch nie davon gehört haben, kann ich Sie beruhigen: Bis jetzt gibt es den Begriff auch noch gar nicht, denn es handelt sich dabei um den kreativen Vertipper eines Users, den ich unlängst auf den Werbeplakaten eines Mediengeschäfts entdeckte. Das Wort gefiel mir aber einfach zu gut. Es führte meine Fantasie sofort auf einen heiteren Spaziergang. Was könnte denn eine Übergangshölle sein? Ganz klar: Schlussmachen, Orientierungslauf und Magendarmgrippe. Aber auch die Erinnerung an meine Mathematik-Matura mündlich, eine sehr grosse Spinne unter dem Bett oder die Steuererklärung. Oder man merkt, dass man auf einem sehr schlechten Date ist, hat aber das Essen samt Dessert bereits bestellt. Übergangshöllen könnten also zeitlich begrenzte Unannehmlichkeiten sein. Aber dann gehts in der Diskussion auf der Metaebene noch weiter: Wären sie denn der Übergang von einem Guten ins Schlechte und wieder zurück ins Gute? Oder vom Schlimmen ins richtig Schlimme, also quasi eine Art Vorhölle? Ich eröffne hiermit offiziell die Diskussion und bleibe gespannt.

Manchmal sind sich Himmel und Hölle auch ganz nah, besonders auf der Bühne. Beispielsweise geht's für mich mit nur einem einzigen Stück direkt in den Himmel: mit Monteverdis Madrigal «Hor che'l ciel e la terra», einem der schönsten Werke überhaupt, auf Deutsch in etwa: «Jetzt, wo der Himmel, die Erde und die Winde schweigen». Dank dem Basler Vokalensemble Voces Suaves und dem Capricornus Consort Basel können Sie es gleich selbst hören (Konservatorium Bern. Mo., 23.6., 19.30 Uhr) . Mit weiteren Werken von Claudio Monteverdi, Cipriano de Rore, Giaches de Wert und Luca Marenzio.

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Mit dem Capricornus Consort Basel bringt das Vokalensemble Voces Suaves ein Renaissance-Programm nach Bern. © Daniele Caminiti

Für einige Berufsmusiker*innen können sie wahre Übergangshöllen darstellen: Musikwettbewerbe. Zwischen Träumen, Enttäuschung und wirklich grossen Chancen geht alles und zugleich auch nichts. Der Komponist Béla Bartók sagte dazu: «Wettbewerbe sind für Pferde, nicht für Künstler». Ich stimmte ihm immer zu, bin aber trotzdem tapfer in meinen Studienzeiten durch die Gesangswettbewerbe galoppiert, hab manchmal gewonnen und manchmal nicht. Ironischerweise kann ich sagen: Diese Wettbewerbe waren wohl das Sportlichste, was ich je tat. Sie können nun die mutigen und tollen Nachwuchssänger*innen des Internationalen Belvedere Gesangswettbewerbs und das ganze Wettbewerbsprozedere selbst miterleben, denn dieses Jahr findet der renommierte Wettbewerb in Bern statt (Stadttheater Bern. Halbfinals am Mi., 18., und Do., 19.6., jeweils 10 Uhr [Eintritt frei]. Finale am Sa., 21.6., 19.30 Uhr) . Die Mezzosopranistin Claude Eichenberger (Bild), Ensemblemitglied bei Bühnen Bern , moderiert das Ganze.

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Für einmal auf der anderen Seite: Claude Eichenberger moderiert den Gesangswettbewerb. © Florian Spring

Es folgt ein Tipp zum Entspannen. Das Märchen «Der Josa mit der Zauberfiedel» von Kinderbuchautor Janosch wurde vom Berner Komponist Alexander Janos für Orchester und Erzähler*in vertont. Es geht um die Geschichte des Buben Josa, der zu klein ist, um wie sein Vater Köhler zu werden. Er bekommt von einem Vogel eine Geige geschenkt und erkennt, dass er durch die Musik Menschen und Tieren helfen kann. Mit dem Berner Musikkollegium unter der Leitung von David McVeigh (Bild), Miriflu Engeler, Ilona Naumova und Musikschulkindern aus der Region (Konservatorium Bern. Sa., 21.6., 11 Uhr) .

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David McVeigh dirigiert das Märchen «Der Josa mit der Zauberfiedel». © Nico Kobel

Zum Abschluss zu einem Instrument, das wohl Höllisches verlangt, wenn man es meisterhaft beherrschen will, jedoch absolut himmlisch klingt, wenns jemandem gelingt. Der Mandolinenvirtuose Avi Avital beeindruckt und berührt zugleich in seinem Konzert mit dem Zürcher Kammerorchester unter der Leitung von Sologeiger und Dirigent Willi Zimmermann (Stadtkirche Thun. Do., 12.6., 19.30 Uhr) . Man darf sich auf ein erlesenes italienisches (Barock)-Programm freuen. Beispielsweise aufs Konzert für Mandoline und Streichorchester Es-Dur von Giovanni Paisiello und Vivaldis Konzert für Laute und Streichorchester D-Dur, RV 93. Beide bearbeitet für Mandoline und Streichorchester von Avi Avital persönlich.

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Der israelische Mandolinenvirtuose Avi Avital. © Christoph Köstlin
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